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“Der Kranich-Ruf ist echt der Ruf der Wildnis”

Das neue Nabu-Erlebniszentrum „Kranichwelten“ soll Anfang September in Günz bei Stralsund (Landkreis Vorpommern Rügen) feierlich eingeweiht werden. Vorab sagte der promovierte Biologe Günter Nowald dem Evangelischen Pressedienst (epd), worin die Faszination des Kranichs besteht und welche Gefährdungen es für den Kranich gibt. Nowald leitet das Nabu-Kranichzentrum in Groß Mohrdorf (bei Günz).

epd: Was macht für Sie die Faszination der Kraniche aus?

Günter Nowald: Der Ruf von einem Kranichpaar, also das Duett ganz früh morgens im Moor, das ist echt der Ruf der Wildnis. Da läuft einem ein Gänseschauer den Rücken hinunter. Das ist einfach unglaublich.

Außerdem ist der Kranich unser größter heimischer Vogel. Früher sah man ihn, wenn er zur Brutzeit mit seinen Jungen unterwegs war, eigentlich gar nicht. Er war dann so heimlich. Man sagt auch, er hat auf jeder Feder ein Auge. Mittlerweile, durch 40 Jahre positiven Bestandstrend, gibt es Paare, die sich an menschliche Aktivitäten gewöhnt haben. Und deshalb kann man sie teilweise heute leichter sehen.

epd: Welche Gefährdungen gibt es für Kraniche?

Nowald: Eine Gefährdung ist der Klimawandel. So haben die wenigen Niederschläge in den ersten Monaten dieses Jahres dazu geführt, dass hier in Vorpommern bereits im Juni 80 Prozent der von uns aufgesuchten Paare keinen Nachwuchs hatten. Wenn Feuchtgebiete trocken oder matschig sind, können Fuchs und Co. leichter Jungvögel erbeuten.

Prognosen gehen davon aus, dass es in Deutschland in 100 Jahren keine brütenden Kraniche mehr geben könnte, wenn es weiterhin zu wenig regnet und schneit. Und durch die Erderwärmung könnten Permafrostböden weiter im Norden auftauen und eine neue Brutheimat werden. Dann könnte Deutschland vielleicht eine Hauptüberwinterungsland werden, so dass die Kraniche im Herbst nicht mehr weiterfliegen nach Frankreich und Spanien.

Ein weiteres Problem ist die intensive Landwirtschaft. Es werden Kulturen angebaut, auch großflächig, die für den Kranich und viele andere Tiere nicht nutzbar sind. Beispielsweise wächst in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen auf mindestens einem Fünftel der Ackerflächen Raps, mit dem Kraniche nichts anfangen können. Zudem führen Insektizide und Pestizide zu weniger Insekten und damit auch zu weniger Nahrung für Kraniche, andere Vögel oder Fledermäuse.

epd: Welche Probleme gibt es noch für den Kranich?

Nowald: Weltweit gibt es 15 Kranicharten, von denen mindestens zehn Arten heute bedroht sind. Internationale Kranichforschende, zu denen ich auch gehöre, engagieren sich aktuell beispielsweise in Kenia. Denn dort nehmen die Populationen des Grauen Kronenkranichs stark ab. Ursachen sind die Beweidung von Feuchtgebieten, das Sammeln von Kranicheiern für die menschliche Ernährung, die Jagd und der illegale Handel. Es gibt in Asien einen Markt, weil Menschen den schmucken Grauen Kronenkranich gern als eine Art Statussymbol vor ihrem Anwesen laufen lassen wollen. Das sind ja schöne, beeindruckende Tiere.