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Der Fall der Greta Thunberg

Beschädigt die Vorreiterin für Klimaschutz jetzt das Anliegen durch ihre politischen Äußerungen? Unsere Redakteurin Karola Kallweit kommentiert den Fall Greta Thunberg.

Greta Thunberg im November 2023 in London
Greta Thunberg im November 2023 in LondonIMAGO / ZUMA Wire

Dieser Tage titelte die taz aus Berlin „Persona non Greta“ und kommentierte die Enttäuschung hierzulande über die Fridays-for-Future- Lichtgestalt Greta Thunberg, Ikone der internationalen Klimabewegung. Thunberg ist zuletzt durch eine einseitige propalästinensische Haltung im eskalierten Nahostkonflikt aufgefallen. Sei es auf ihrem Instagram-Account oder wie kürzlich auf einer Bühne in Amsterdam, als sie und andere Aktivisten „No Climate Justice on Occupied Land“ (Deutsch: Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land) skandierte.

Fridays for Future in Deutschland distanziert zur Greta

Greta Thunberg schade der Klimabewegung, so war es die letzten Tage vielfach zu lesen. Aber ist das wirklich so? Längst haben sich populäre deutsche Friday-for-Future Vertreterinnen wie Luisa Neubauer und Carla Reemtsma glaubhaft von den Aussagen Thunbergs distanziert. Man muss dazu wissen, dass Fridays for Future nicht streng hierarchisch organisiert ist. Die regionalen Gruppen kommunizieren via Telegram und es ist davon auszugehen, dass bei so vielen Aktivisten nicht immer Einigkeit über die politische Agenda herrscht.

Weiterhin stellt sich die Frage, wie wirkmächtig der Protest von Umweltbewegungen überhaupt ist. Der aktuelle Nachtragshaushalt der Ampelkoalition, der Gelder, die eigentlich für den Kampf gegen Corona gedacht waren, für den Klimaschutz ausgeben wollte, ist nun vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe gescheitert.

Vorstellungen von Gerechtigkeit driften auseinander

Vielmehr offenbaren doch antisemitische und antiisraelische Äußerungen von Fridays-for-Future- Gruppen weltweit etwas ganz Anderes. Unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit driften auseinander. Zwischen dem Globalen Süden sowie einem Teil der Linken auf der einen Seite und Europa auf der anderen Seite herrscht kein Konsens in diesem Punkt.

Dekolonialer Diskurs

Das fehlende Mitgefühl für die israelische Seite direkt nach dem 7. Oktober und die Rechtfertigung der Hamas als Freiheitskämpfer entspringt einer Spielart des dekolonialen Diskurses. Ähnliches war schon rund um die Kunstausstellung documenta 15 zu bemerken, als das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa wegen antisemitischer Darstellungen in die Kritik geriet. Für viele linke Aktivisten ist Israel ein weißer Kolonialstaat und damit nach ihrer Logik zu verurteilen. Was ist also Gerechtigkeit? Wer darf sich Opfer nennen? Und wer ist Täter?

„Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land.“ Diese Vermischung von zwei Themen, Klimakrise und Nahostkonflikt, sie schadet der Klimabewegung, denn Antisemitismus darf nie Teil eines Kampfes für mehr Gerechtigkeit sein.