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Demokratieforscher: Pauschale “Brandmauer” gegen AfD kontraproduktiv

“Der Begriff ist aus meiner Sicht maximal unglücklich”, sagt der Demokratieforscher Simon Franzmann über die viel bemühte “Brandmauer” gegenüber der AfD. Er hält das Konzept für kontraproduktiv.

Auch gegen Politikerinnen und Politiker der AfD gibt es Angriffe
Auch gegen Politikerinnen und Politiker der AfD gibt es AngriffeImago / Jacob Schröter

Der Göttinger Demokratieforscher Simon Franzmann hält die Rede von einer „Brandmauer“ gegenüber der AfD im politischen Betrieb für wenig hilfreich und kontraproduktiv. „Der Begriff ist aus meiner Sicht maximal unglücklich“, sagte Franzmann im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dieses Sprachbild werde der AfD durch seinen ausschließenden Charakter nur weitere Wähler zutreiben und ihr damit am Ende mehr nützen als schaden: „Das Konzept führt dazu, dass es Solidarisierungseffekte mit der Partei gibt, vor allem in Ostdeutschland.“

Franzmann, Direktor des Instituts für Demokratieforschung an der Universität Göttingen, stuft die AfD als rechtsradikal ein. Statt einer Brandmauer sollten die anderen Parteien besser von „Grenzen“ sprechen und diese dann auch konsequent ziehen, rät er. Der Mauer-Begriff dagegen sei missverständlich. Er erwecke – vermutlich unbeabsichtigt – den Eindruck, als wolle man auch eine Mauer zur Wählerschaft der AfD aufbauen: „So werden alle Wähler weggedrückt, die vielleicht aktuell zur AfD neigen, aber grundsätzlich bereit wären, sich an demokratischen Spielregeln zu beteiligen.“

Schon rein sprachlich sei der Begriff missglückt

„Mauern können viel zu leicht bröckeln oder einstürzen.“ Das zeige sich in den Kommunen, wo sich nicht jeder Berührungspunkt mit der AfD vermeiden lasse. Die Gegner der AfD manövrierten sich mit diesem Begriff zudem in einen Selbstwiderspruch. „Denn sie vertreten ja sonst eigentlich universalistische Positionen, wollen Brücken bauen und Mauern einreißen. Aber hier wollen sie plötzlich eine Mauer aufbauen.“

Außerdem wecke der Mauer-Begriff negative Assoziationen insbesondere in Ostdeutschland. Die anderen Parteien sollten diesen Begriff deshalb meiden, rät der Wissenschaftler. Sie sollten sich gegen rechtsextreme Tendenzen der AfD abgrenzen, aber nicht grundsätzlich die gesamte Partei und ihre Anhängerschaft ausgrenzen.

Kriterium für einen konstruktiven Umgang mit der AfD sei die Frage, ob sich diese Partei an die für alle geltenden demokratischen Spielregeln und Gepflogenheiten halte oder nicht. „Es geht darum, zu prüfen, wer wirklich im demokratischen Wettbewerb mit dabei sein will“, sagte Franzmann. „Das Problem ist natürlich, dass ein Großteil der AfD die Spielregeln gar nicht mehr mitspielen will.“ Es gebe eine Vielzahl von „Foulspielen“. In diesem Fall sei in der Tat eine klare Abgrenzung nötig.

Sachliche Auseinandersetzung statt pauschale Abwehr

Inhaltlich müssten sich die anderen Parteien künftig viel stärker mit den Positionen der AfD auseinandersetzen, vor allem bei der Migrationsthematik, sagte Franzmann. „Da hat man es sich in den vergangenen Jahren zu bequem gemacht. Eine sachliche Auseinandersetzung anstelle einer pauschalen Abwehr kann helfen, Wähler von der AfD zurückzugewinnen.“