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Debatte um Veteranentag: Dank an Soldaten – Warnung vor Militarismus

Die Deutschen tun sich schwer mit ihrem Militär. Der am Sonntag erstmals begangene Veteranentag ist deshalb umstritten. Der Verteidigungsminister dankt den Soldaten – die Friedensgesellschaft warnt vor Militarismus.

Deutschland hat am Sonntag den ersten bundesweiten Veteranentag begangen. Bei mehr als 100 Veranstaltungen in Städten und Gemeinden sollte der Einsatz der rund zehn Millionen früheren und aktiven Soldatinnen und Soldaten für das Land gewürdigt werden. Um das Berliner Reichstagsgebäude gab es ein zentrales Fest. Unter dem Eindruck möglicher Bedrohungen durch Russland hatte der Bundestag im vergangenen Jahr beschlossen, den Veteranenvertrag künftig jedes Jahr zu feiern.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schrieb auf der Plattform X, die Bundeswehr sei fester Bestandteil der Gesellschaft. Die Frauen und Männer, die in ihr dienten oder gedient hätten, verdienten Dank, Anerkennung und Respekt.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schwor die Soldatinnen und Soldaten auf zusätzliche Anforderungen ein. “In den vergangenen zweieinhalb Jahren konnte ich hautnah miterleben, wie hochprofessionell unsere Truppe arbeitet: bei Übungen im In- und Ausland, im Kampfpanzer oder Eurofighter, an der Ostflanke in Litauen. Aber auch, als die Bundeswehr Bürger aus dem Sudan evakuiert hat”, sagte Pistorius der “Rheinischen Post” (Samstag).

Der Minister betonte, die Anforderungen an die Soldatinnen und Soldaten würden in Zukunft sogar noch steigen. “Die Bedrohungslage hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Wir müssen klarmachen: Wir können unser Land und das Bündnis verteidigen, wenn es angegriffen würde.”

Parteien und Verbände nutzten den Tag, um über eine allgemeine Wehrpflicht, einen Pflichtdienst und die Bedeutung des Militärs in der Gesellschaft zu debattieren. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sprach sich für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht aus. Auch die Wiederbelebung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht sei denkbar, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. “Um als Bündnispartner ernst genommen zu werden, brauchen wir eine andere Truppenstärke. Entweder gelingt das auf freiwilliger Basis, oder wir müssen wieder über eine Wehrpflicht nachdenken.”

Den Veteranentag würdigte die CDU-Politikerin als wichtiges Zeichen der Anerkennung: “Wenn wir als Parlament die Armee in Einsätze schicken und wenn Abschreckung der Friedenssicherung dient, dann sollte man auch einen Veteranentag feiern”, sagte Klöckner.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), forderte, dass die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden müsse. Dazu gehöre ein Gesamtkonzept für Personal, Material und Infrastruktur, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allein für die militärische Infrastruktur veranschlage das Verteidigungsministerium einen aktuellen Gesamtinvestitionsbedarf von bis zu 67 Milliarden Euro. Es brauche für Zeit- und Berufssoldaten gute Rahmenbedingungen – und für die meist jüngeren Freiwilligen einen Mehrwert. Dazu könnten Erleichterungen beim Studienzugang oder zusätzliche Rentenpunkte gehören.

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Erndl, erklärte, der Veteranentag solle ein starkes Zeichen sein, dass Parlament und Bürger der Bundeswehr den Rücken stärken wollten. Die Grünen-Verteidigungsexpertin Sara Nanni forderte einen offeneren Umgang mit den Erfahrungen von Bundeswehr-Soldaten. “Der Veteranentag muss ein ehrliches, kein geschöntes Bild des Dienstes in der Bundeswehr zeigen”, sagte sie der Funke Mediengruppe. Bei der Anerkennung von Gesundheitsschäden und von posttraumatischen Belastungsstörungen liege einiges im Argen.

Die Deutsche Friedensgesellschaft verlangte dagegen die Abschaffung des Gedenktages. Der politische Geschäftsführer Michael Schulze von Glaßer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: “Statt Soldaten zu feiern, deren Handwerk es ist, im Ernstfall Menschen zu töten, sollten lieber zivile Helfer wie Krankenpfleger oder Menschen aus dem Katastrophenschutz, die Menschenleben retten, gefeiert werden.” Mit dem Veteranentag knüpfe die Politik “an alte deutsche Militärtraditionen an, die die Welt schon früher ins Unglück gestürzt haben. Der Veteranentag ist Militarismus pur.”

Nach einer am Sonntag veröffentlichten Insa-Umfrage der “Bild am Sonntag” würde sich eine Mehrheit der Deutschen bei der Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst für den Dienst ohne Waffe entscheiden: 51 Prozent gaben an, lieber Zivildienst leisten zu wollen. Nur 36 Prozent würden zur Bundeswehr gehen. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während 47 Prozent der Männer den Wehrdienst bevorzugen würden, sind es bei den Frauen lediglich 26 Prozent.

Trotz der Zurückhaltung beim Dienst an der Waffe befürwortet eine relative Mehrheit der Befragten die Wiedereinführung der Wehrpflicht für die Generation ihrer Kinder oder Enkel. 47 Prozent fänden eine verpflichtende Einberufung gut, 34 Prozent lehnen sie ab. 9 Prozent ist die Frage gleichgültig, 10 Prozent machten keine Angabe.