In Hessen hat ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes, das den Betrieb vollautomatisierter Selbstbedienungsläden an Sonn- und Feiertagen untersagt, eine Diskussion über das Ladenöffnungsgesetz ausgelöst. CDU, SPD und FDP kündigten an, eine Gesetzesänderung zu prüfen, um den Betrieb der Läden an allen Tagen zu ermöglichen. Die Pläne stießen am Dienstag auf Zuspruch seitens der Wirtschaft und auf Kritik aus den Reihen von Kirchen und Gewerkschaften.
So sprach sich die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) für die Öffnung der Selbstbedienungsläden auch an Sonn- und Feiertagen aus. „Dadurch könnte die Versorgung der Bevölkerung leichter gewährleistet werden“, sagte VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Die Vereinigung begrüße daher angekündigte Initiativen der hessischen CDU und FDP zur Änderung des Gesetzes, sagte Pollert.: „Das hessische Ladenöffnungsgesetz sollte entsprechend geändert werden.“
CDU-Fraktionschefin Ines Claus hatte am Montagabend eine Gesetzesänderung ins Spiel gebracht. Mit der künftigen CDU-SPD-Koalition wolle sie einen Rahmen setzen, um den stationären Handel gegenüber den Onlineplattformen zu stärken und neue Modelle insbesondere für den ländlichen Raum zu bieten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph kündigte an, dass mögliche Sonntagsöffnungen von Selbstbedienungsläden „ergebnisoffen“ mit Vertretern der Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen geprüft werden. Der Vorgang werde „eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, um mögliche Änderungsvorhaben auf eine breite Basis zu stellen“.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage entschieden, dass die vollautomatisierten „Teo“- Läden der Firma Tegut an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen dürfen, selbst wenn dafür kein Personal notwendig ist. Das hessische Ladenöffnungsgesetz diene nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen, hieß es unter anderem zur Begründung.
Eine Reform des Ladenöffnungsgesetzes forderte daraufhin auch der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Stefan Naas. „Wir werden dazu eine eigene Initiative einbringen, um den Missstand zu beheben“, sagte Naas. Es müsse eine Lösung gefunden werden, die „den Interessen der Unternehmer und der Verbraucher gerecht wird“.
Der ver.di-Landesbezirk Hessen hingegen vertritt den Standpunkt, „dass Sonntagsschutz mehr als nur Arbeitsschutz ist“, wie eine Sprecherin dem epd mitteilte. Die „Allianz für den freien Sonntag Hessen“, in der Einrichtungen der evangelischen und katholischen Kirche mit ver.di zusammenarbeiten, erklärte in einer Mitteilung, beim Sonntagsschutz gehe es um den „Erhalt eines wesentlichen Kulturgutes“.
Der Verwaltungsgerichtshof habe ausdrücklich das Argument zurückgewiesen, mit dem Verzicht auf Personaleinsatz werde der Arbeitnehmerschutz garantiert, sagte Bernhard Schiederig, langjähriger ver.di-Funktionär und Mitglied der Allianz, dem epd. So müssten für mögliche technische Probleme immer Menschen in Bereitschaft stehen, zudem füllten sich die Verkaufsautomaten nicht von selbst. „Außerdem ist es eine Mär, dass diese Läden auf dem flachen Land installiert werden“, sagte Schniederig. Stattdessen befänden sich auch vollautomatisierte Geschäfte „üblicherweise dort, wo mit einem entsprechenden Umsatz gerechnet werden kann“.
Auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) begrüßt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs. „Sonn- und Feiertage haben einen gänzlich anderen Charakter, indem sie Freiräume für Bereiche des Lebens abseits von Ökonomie und Kommerz schaffen“, sagte Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN.