Dass der Staat für die Kirchen die Kirchensteuer einzieht, ist schon lange umstritten. Die einen sehen darin eine unnötige Gefälligkeit, von der die Kirchen profitieren, die anderen erblicken dahinter eine nicht vollzogene Trennung von Staat und Kirche. Tatsächlich verdienen die Finanzbehörden mit der Serviceleistung für die Kirchen aber viele Millionen. Das haben Berechnungen des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergeben.
Die Finanzverwaltung erledigt den Kirchensteuereinzug nämlich nicht gratis, sondern lässt sich dafür bezahlen. In Baden-Württemberg etwa gehen drei Prozent des eingezogenen Geldes ans Land. Das waren im Jahr 2024 immerhin 65,6 Millionen Euro.
Die Gegenrechnung, welche Kosten dem Land durch den Kirchensteuereinzug entstehen, ist etwas komplizierter. Das Finanzministerium in Stuttgart favorisiert auf Anfrage des epd die sogenannte Vollkostenrechnung. Das heißt: Der Anteil der Kirchensteuer am Gesamtsteueraufkommen bestimmt auch den Anteil der Kosten an der Steuerverwaltung.
Baden-Württembergs Finanzämter haben im vergangenen Jahr rund 50 Milliarden an Steuereinkommen für das Land verwaltet. Die 2,2 Milliarden Kirchensteuer sind davon ein Anteil von 4,4 Prozent. An Gesamtkosten für die Steuerverwaltung entstanden laut Haushaltsplan 858 Millionen Euro. Davon sind 4,4 Prozent – also der angenommene Anteil des Aufwands für die Kirchensteuer – rund 38 Millionen. Tatsächlich haben die Kirchen aber an Vergütung 65,6 Millionen bezahlt. Der Gewinn fürs Land liegt also bei nahezu 28 Millionen Euro, die Gewinnspanne bei mehr als 70 Prozent.
Das Finanzministerium hält diese Kalkulation für falsch. Laut einem Sprecher fehlen etwa die Aufwendungen für die Beamten-Beihilfe sowie die Versorgung der Pensionäre, Verwaltungskosten für Gehalts- und Beihilfezahlungen sowie ein „fiktiver Mietwert“ für landeseigene Grundstücke.
Der Haken bei dieser Argumentation: Diese Aufwendungen hätte das Land großteils auch dann, wenn es gar keine Kirchensteuer gäbe. Bei einer anderen Berechnungsweise liegen die Gewinne deshalb noch höher. Begreift man die Kirchensteuer nur als eine Art Zusatzgeschäft der Landesverwaltung, die ohnehin die Infrastruktur an Finanzämtern und Beamten vorhalten müsste, dann käme statt der Vollkostenrechnung eine reine Zusatzkostenrechnung infrage. Darin enthalten wäre der Aufwand für Fälle, die händisch bearbeitet werden müssen wie etwa Kirchenaustritte, oder beispielsweise die Anpassung der Computerprogramme zum Einpflegen der Kirchensteuer.
Hier gibt es allerdings zu viele unbekannte Größen, um die Zusatzkosten seriös einzuschätzen. Klar ist nur, dass der Betrag noch einmal niedriger liegt als bei der Vollkostenrechnung, da zum Beispiel der Aufwand für das Betreiben eines Finanzamtes – etwa Immobilien- oder Heizkosten – nicht mehr zu Buche schlägt.
Die Vergütungsregel stammt aus dem Jahr 1956, als der Staat begann, über die Finanzämter die Kirchensteuer einzuziehen. Damals mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch alles auf Papier erledigen. Heute übernimmt bei der Kirchensteuer die meiste Arbeit Kollege Computer, der Aufwand in den Ämtern ist in knapp 70 Jahren massiv gesunken. Angepasst wurde der Vergütungssatz deshalb aber nicht.
Trotz der offenbar überhöhten Vergütung, die die Kirchen für den Einzug der Kirchensteuer bezahlen, hat dort niemand Interesse an der Abschaffung des Systems. Es sei eine Win-Win-Situation, sagt der Finanzdezernent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Oberkirchenrat Fabian Peters. Die Alternative, eine eigene Kirchensteuerverwaltung aufzubauen, wäre nämlich deutlich teurer. Peters schätzt, dass bis zu fünf Prozent der Kirchensteuer für die Verwaltung draufgingen, wenn die Kirche das selbst in die Hand nähme. Insofern sind die drei Prozent an Vergütung an den Staat in jedem Fall die günstigere Variante. (2122/27.08.2025)