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Das Leben im Sterben

Als ihr Sohn die Diagnose Krebs bekommt, beginnt Heidi Vetter aus Schwerin zu schreiben. Es wird ein Tagebuch der anderen Art und am Ende ein Trauerbuch.

Heidi Vetter mit ihrem Sohn Martin
Heidi Vetter mit ihrem Sohn Martinprivat

Schwerin. Ein Fünfunddreißigjähriger bekommt die Diagnose einer lebensgefährlichen Krankheit. Die Aussicht auf Heilung sei nicht groß; aber in seinem Alter wäre wohl doch etwas zu machen, heißt es.

Heidi Vetter hat ein Tagebuch geschrieben und jetzt veröffentlicht. Ziemlich am Anfang steht die E-Mail ihres Sohnes Martin, mit der er der Familie seine Krebserkrankung mitteilt. „Gelbe Augen“ heißt dieses Buch mit dem Untertitel „Das andere Tagebuch“. Es ist ein anderes Tagebuch geworden, weil hier eine Mutter das Gehen ihres Sohnes über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren schreibend begleitet und weil sie in dem Tagebuch viele zu Wort kommen lässt. Der erkrankte Sohn, Familienmitglieder, Freundin und Freunde sind in E-Mails, Briefen, in Gesprächsnotizen und auf Zetteln zu vernehmen. Es ist ein vielstimmiges Buch. Alle Stimmen aber vereinen sich im Gedanken an das Unabänderliche, das nicht wirklich zu begreifen ist.

Nüchterner Schmerz

Heidi Vetter schreibt nüchtern, was ist – am Anfang nicht jeden Tag, später in immer dichterer Folge. Aber in der Nüchternheit wird der Schmerz umso spürbarer, die Hoffnung auf Besserung, die dann doch wieder zunichte gemacht wird, das Bangen, das Aufatmen zwischendurch, die Freude an kleinen Lichtblicken, die Verzweiflung, die große Traurigkeit.

Dennoch ist der Grundton des Buches das Leben, das Leben trotz Sterben, das Leben mit dem Sterben, das Leben, das sich auch im Sterben als stark erweist.

In die elterliche Wohnung gezogen

Heidi Rosmarie Vetter ist gelernte Krankenschwester und ehrenamtliche Sterbebegleiterin. Ihr Mann, Kirchenmusikdirektor Joachim Vetter, war früher an St. Marien in Rostock tätig. Beide leben heute in Berlin.

Ihr jüngster Sohn Martin ist bald nach der Krebsdiagnose in die elterliche Wohnung gezogen. Seine Freundin wohnt nicht weit. So sind sie einander in der Familie sehr nah. Verständigung ist oft ohne viele Worte möglich. Sie lachen und weinen miteinander. Oft halten sie das Schwere auch schweigend aus.

Der kranke Martin kann das Leben genießen, wenn die Krankheit ihn lässt. Er hat einen Lieblingsplatz in der Wohnung. Er geht hinaus in die Umgebung. Er verabredet sich mit Freunden. Er bereichert das Leben im Haus mit seinem geistreichen Humor.

Zunehmende Schwäche

Aber da sind dann wieder die Demütigungen durch die Krankheit, die manchmal wahnsinnigen Schmerzen und die zunehmende Schwäche. „Wie lange werde ich das alles noch aushalten? Oder, wie lange wird es mir vergönnt sein, es noch aushalten zu können?“ schreibt die Mutter im Wechselbad der Gefühle etwa einen Monat vor dem Tod des Sohnes.

Am Ende wird es licht und voller Frieden. Der Weg ist zu Ende gegangen, gemeinsam. Angst fällt ab. Geborgenheit ist da. Im Schönen und Schweren des Abschiednehmens erlebt die Autorin Gottes Gegenwart.

Buch-Tipp
Heidi Rosmarie Vetter: Gelbe Augen.
20 Euro, bestellbar bei Einar & Bert,
Winsstraße 72, 10405 Berlin
oder unter Tel. 030/443 52 85 11