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Das kurze Leben des “kleinen Königs”

Der Start ins Leben war für Tobias König kein leichter. Wegen Sauerstoffmangels wurde er unmittelbar nach der Geburt mit dem Rettungshubschrauber in eine Kinderklinik geflogen. Für seine Mutter, Elisabeth König, ein „totaler Schock“, wie sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagt. Sie bangte um das Leben ihres Erstgeborenen.

In dem Buch „Tobias – Der kleine König“, das im September beim Mediathoughts Verlag in Taufkirchen (Bayern) erschienen ist, schildert König die Kindheit des schwerbehinderten Sohnes. Es sind authentische Geschichten, aufgeschrieben über elf Jahre hinweg ab der Geburt von Tobias im Jahr 2002. Jedes Jahr fasste die Mutter die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen im Leben ihres Kindes in einer Geschichte zusammen.

Zur Veröffentlichung waren sie ursprünglich nicht gedacht. „Sie ruhten im Computer“, berichtet König. Es habe einige Überzeugungsarbeit gebraucht, damit die Familie der Publikation zustimmte, betont die Autorin.

Ohne jedes Pathos beschreibt sie den Alltag mit dem behinderten Kind, die vielen Arzt- und Therapeutenbesuche, die zahlreichen Untersuchungen und Operationen. Zum Sauerstoffmangel im Gehirn kam ein Herzfehler hinzu, der chirurgische Eingriffe notwendig machte. „Wir sind in die Behinderung hineingewachsen“, erinnert sie sich.

Tobias konnte bis zu seinem Tod im Alter von 17 Jahren nicht sprechen, nicht gehen, nicht selbstständig essen. Und doch sei Tobias „ein Sechser im Lotto“, erinnert sich Elisabeth König an die Aussage einer Ärztin. Denn Tobias konnte hören, sehen und lachen.

„Das ist das Phänomenale: Er verstand Wörter, er hat verstanden, worum es geht“, ist sich die Mutter gewiss. Meinte er „Ja“, habe er gelacht, meinte er „Nein“ habe er die Unterlippe vorgeschoben, beschreibt sie die Kommunikation. Tobias habe auch sein Zuhause schon vom Auto aus erkannt. Er lachte, wenn er das Ortsschild sah, so Elisabeth König.

Beim Lesen der Geschichten wird der Leser, die Leserin mit hineingenommen in das Familienleben der Königs. Aus der Sicht des Kindes erfährt er von Geburtstags- und Weihnachtsfeiern, Familientreffen, Freundschaften, den schönen und den weniger schönen Dingen im Leben. Die Autorin trifft den Ton, wie das Kind gefühlt haben mag.

Jederzeit lassen die Geschichten die Dankbarkeit und die liebevolle Annahme von Tobias durch Verwandte und Freunde spürbar werden. Die Leere, die auf den unerwarteten Tod von Tobias in einer Tagesfreizeit folgte, bedrückt. Hat der Leser doch gerade mitfühlen dürfen, wie alle, die mit ihm zu tun hatten, auf den Jungen eingeschwungen waren.

Als die Kräfte der Eltern nachließen, verabschiedete sich Tobias lautlos. So hätten die Pfleger von Tobias den Eltern zu erklären gesucht, was so diese zunächst nicht glauben wollten, erinnert sich die Autorin. „Seine Jacke blieb noch vier Jahre an der Garderobe hängen“.

Bis heute erinnerten im Hause König Fotos, Tagebücher und aufgezeichnete Laute an den Verstorbenen. Das Buch „Tobias – Der kleine König“ zeigt einer breiteren Leserschaft, wie wertvoll jedes Leben ist und wie viel ein schwerbehinderter Junge wie Tobias anderen Menschen zu geben vermag.

Über Jahre hinweg floss alle Energie des Elternpaares in die Betreuung des Sohnes. „Mein Glaube hat mir dabei geholfen“, betont die gelernte Religionspädagogin. Tagelang habe sie gebetet und darauf vertraut, die nötige Kraft zu bekommen, die sie brauchten.

Das Leben des „kleinen Königs“ hat bei ihr Spuren hinterlassen. „Es geht ihm gut“, ist sich die Mutter sicher und ergänzt: „Er begrüßt bestimmt jeden, der aus unserer Familie stirbt.“ Das Wichtige im Leben sei – das habe sie in diesen intensiven 17 Jahren gelernt – „die Zeit, die man gegenseitig für sich hat“, sagt Elisabeth König. (2346/01.10.2023)