Die Christdemokraten streben einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik an. Der CDU-Parteitag stimmte in Berlin mehrheitlich für das umstrittene Konzept der sicheren Drittstaaten. Demnach soll jeder, der in Europa Asyl beantragt, in einen solchen Staat überführt werden, um dort das Asylverfahren zu durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs soll Antragsteller auch dort Schutz finden. Das Konzept ähnelt dem sogenannten Ruanda-Modell, das Großbritannien derzeit erprobt.
Die CDU will zugleich, dass die EU-Staaten jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland aufnehmen. Sie sollen auf die beteiligten Staaten verteilt werden.
Kritik von Flüchtlingsbeauftragten der Kirchen
Die Flüchtlingsbeauftragten der beiden großen Kirchen, der katholischer Erzbischof Stefan Heße und der evangelische Bischof Christian Stäblein, hatten das Konzept abgelehnt und vor einem radikalen Bruch der EU mit ihrem humanitären Erbe im Flüchtlingsschutz gewarnt. “Wer sich am christlichen Menschenbild orientiert, darf den individuellen Zugang zum Flüchtlingsschutz in Europa nicht abschaffen”, schrieben sie. “Das individuelle Recht auf Asyl, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Grundgesetz festgeschrieben ist, würde in Deutschland de facto abgeschafft, da hier keine Prüfung der Schutzbedürftigkeit mehr stattfände.”
„Für uns ist klar, dass wir für die Menschen eine Gesellschaft wollen, die zusammenhält. Deshalb müssen alle, die hier in #Deutschland leben wollen, unsere Regeln und die Kultur unseres Miteinanders ohne Wenn und Aber anerkennen.“ ™ #Merz #Leitkultur #cdupt24 @CDU
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) May 7, 2024
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen übte ebenfalls deutliche Kritik an dem Modell. Es sei juristisch fragwürdig, schwäche die Glaubwürdigkeit des “C” und werde auch dem Anliegen der Mütter und Väter des Grundgesetzes nicht gerecht. Ihnen sei es gerade vor dem Hintergrund der NS-Zeit darum gegangen, religiös und politisch Verfolgten, besonders Juden, Asyl zu gewähren. Ferner sei das Konzept auch nicht mit dem Abschnitt des Grundsatzprogramms zur Solidarität mit verfolgten Christen vereinbar.
Röttgen für eine Änderung vom Drittstaatenkonzept
Röttgen plädierte dafür, das Drittstaatenkonzept so zu ändern, dass jene, deren Asylverfahren positiv beschieden werden, in Deutschland Asyl erhalten. Ein entsprechender Antrag des Rhein-Sieg-Kreises fand allerdings keine Mehrheit. Nach den Worten des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frey (CDU), hätte diese Änderung das Drittstaatenmodell “vollständig unterhöhlt”. Da die Abschiebung nicht funktioniere, müsse die Migrationspolitik “einen Schritt früher” ansetzen. Ansonsten entschieden Schlepper darüber, wer Asyl erhalte. Das humanitäre Handeln werde durch die Übernahme von Kontingenten gewährleistet.