Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa schlägt im Streit um eine mögliche Neuregelung der Abtreibungsfrage eine unkomplizierte Übernahme der Kosten für einen Abbruch durch die Krankenkassen vor. Eine fehlende oder kompliziert zu beantragende Kostenübernahme sei für Frauen eine unnötige Belastung, kritisierte Welskop-Deffaa in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). In allen Fällen, in denen der Abbruch nicht strafbewehrt sei, sollten die Kosten erstattet werden können, so die Caritas-Präsidentin.
Die derzeitige Regelung sieht vor, dass Frauen die Kosten für eine Abtreibung in der Regel selbst tragen. Sie liegen auch für unter 18-Jährige in Deutschland zwischen 350 und 700 Euro. Bei Frauen mit geringem Einkommen gibt es die Möglichkeit, einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse einzureichen.
Caritas-Präsidentin: Beratungspflicht erfüllt wichtige Funktion
Eine Abtreibung ist in Deutschland derzeit grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die Schwangere sich zuvor beraten lassen, sie erhält dann einen Beratungsschein; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Caritas und andere katholische Beratungsstellen sind aus dem staatlichen Schwangerenberatungssystem ausgestiegen und stellen keine Scheine aus.

Grundsätzlich spricht sich Welskop-Deffaa dafür aus, die aktuellen Regelungen beizubehalten. Auch eine Abschaffung der Pflichtberatung lehnt sie ab. Die Beratungspflicht erfülle eine wichtige Funktion, um den Zugang zur Beratung in einer emotionalen Belastungssituation leicht zu machen. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hatte im April Empfehlungen für eine Liberalisierung der Abtreibungsfrage vorgelegt. Dazu gehört auch, eine Verpflichtung zur Beratung aufzuheben.
Weiter erklärte Welskop-Deffaa, aus Beratungsstellen sei bekannt, dass Frauen, die zu ihnen kommen, häufig in einer gewaltbelasteten Beziehung lebten, die Ehe kurz vor dem Scheitern stehe oder sie vom Partner zur Abtreibung gedrängt würden. Diese Frauen seien dringend auf ein Gegenüber angewiesen, das ihnen zuhöre und zuspreche. Das werde zu häufig von denjenigen, die die Debatten über eine Abschaffung anführten, nicht gesehen.
SPD und Grüne für Liberalisierung der Abtreibung
Unterdessen sprachen sich Politikerinnen von SPD und Grünen für eine grundlegende Liberalisierung der Abtreibungsregelung aus. Es sei an der Zeit, die Kriminalisierung von Frauen und auch von Ärztinnen und Ärzten zu beenden, sagte die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge dem Portal T-online. Das Vorhaben solle aus der Ampel heraus angegangen werden. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulla Schaus sagte dem Nachrichtenportal, “wir Grüne wollen, dass noch in dieser Legislaturperiode eine gesetzliche Änderung zur Entkriminalisierung und Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs beschlossen wird”.
Teile von SPD und Grünen arbeiten derzeit im Bundestag daran, eine Reform voranzutreiben. Die FDP ist dagegen weiterhin skeptisch. Es stehe der SPD frei, eine fraktionsinterne Position zu formulieren, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen T-online mit Blick auf ein Beschlusspapier der Sozialdemokraten. “Daraus ergibt sich jedoch kein Handlungsdruck oder Automatismus für die Koalition”, so Jensen. Die gesellschaftliche Debatte um Paragraf 218 bleibe schwierig. Es stelle sich daher die Frage, warum ein stabiler gesellschaftlicher Konsens riskiert werden solle.