Hat die Teillegalisierung von Cannabis ihren Zweck verfehlt? Ein erster Zwischenbericht sorgte zuletzt für Kritik und Warnungen. Doch die verantwortlichen Forschenden bewerten die Entwicklung anders.
Die Cannabis-Gesetzgebung sollte nach Worten des Drogenbeauftragten Hendrik Streeck (CDU) wieder verschärft werden – er warnt auch auf Basis des Ende September veröffentlichten Zwischenberichts. Forschende betonen indes andere Trends: Eigenanbau und Cannabis-Clubs könnten demnach illegal verkauften Cannabis in großen Teilen ablösen.
“Die Entwicklung geht langsam voran”, sagt Jakob Manthey, Wissenschaftler am Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg und Koordinator des Verbundprojektes “Evaluation des Konsumcannabisgesetzes” (EKOCAN) im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Aber: “Wir können erwarten, dass in Zukunft 50 Prozent oder mehr des Cannabisbedarfs über den Eigenanbau abgedeckt wird.”
Nach Einschätzung der Wissenschaftler hat der Eigenanbau demnach den Schwarzmarkt bereits jetzt in kleinem Umfang abgelöst. “Wir haben schon vorher erwartet, dass der Schwarzmarkt nur langsam verdrängt wird”, sagt Manthey. “Auch eine langsame Verdrängung ist aber eine Verdrängung.” Die Sicherstellungsmengen von illegalem Cannabis sei mit drei Prozent des Gesamtbedarfs außerdem “verschwindend gering”. Aber: “Wir kennen nur die dokumentierten Mengen aus dem Hellfeld.”
Laut Zwischenbericht konnten Anbauvereinigungen zur Verdrängung des Schwarzmarktes “bislang keinen relevanten Beitrag leisten”. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte deshalb, das Cannabis-Gesetz müsse “sofort rückgängig gemacht werden”: “Die ursprüngliche Zielsetzung, den illegalen Handel mit Cannabis durch legale Bezugsquellen zu verdrängen, ist klar verfehlt worden”, heißt es dort.
Für welche Mengen das tatsächlich gilt, lässt sich laut Wissenschaft allerdings aus den Zahlen nicht ableiten. “Wir wissen aber, dass der individuelle Anbau zunimmt”, sagt Manthey. “Wenn die legalen Anteile zunehmen, dann müssten illegale Anteile abnehmen.”
Im April 2025 waren laut Zwischenbericht maximal 2 Prozent aller Konsumierenden Mitglied in einer Anbauvereinigung. 12 bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs fielen an Medizinalcannabis. Ein Großteil der Konsumierenden bezieht Cannabis laut Umfragen allerdings von Freunden und Bekannten. Woher die Substanz dann genau stammt, ist schwer nachvollziehbar.
“Wir sollten den Cannabis-Markt nicht so begreifen wie den mit Alkohol oder Tabak”, sagt Manthey. “Wenn der Alkoholmarkt so strukturiert wäre, dann würden viele zum Beispiel ihr eigenes Bier brauen und ihre Freunde damit versorgen.” Der Markt für Cannabis sei stark segmentiert, ein Umbau deshalb nur langsam möglich. Politiker hätten hohe Erwartungen geschürt, was sich in kurzer Zeit verändern könne – “der Prozess ist aber ein gradueller.”
Wie die Klientel der verschiedenen Marktsegmente strukturiert ist, lässt sich nur teilweise nachvollziehen. Unregelmäßige Konsumenten kommen laut Zwischenbericht meistens gratis über Freunde oder Familie an Cannabis. “Diejenigen, die Cannabis täglich oder fast täglich konsumieren, beziehen es aber weniger aus sozialen Quellen, sondern aus dem Eigenanbau, Apotheken oder auf dem Schwarzmarkt”, sagt der Experte.
Die Forschung zeige außerdem Unterschiede im gesundheitlichen Wohlbefinden der Konsumenten – abhängig von ihrer jeweiligen Quelle. “Umfragen ergeben, dass die psychische Belastung relativ gleich unter den Konsumenten verteilt wird, egal ob sie Cannabis von Freunden, vom Schwarzmarkt oder aus dem Eigenanbau beziehen”, sagt Manthey. Mit einer Ausnahme: “Befragte, die Cannabis in Apotheken kaufen, haben die geringste psychische Belastung.”
Wie sich die Teillegalisierung auf den Konsum harter Drogen auswirkt, ist bislang indes nicht belegt. “Bei uns gibt es keinen Cannabis”, sagt ein Sprecher von “Freiraum Hamburg”. Der Verein berät Betroffene und gibt ihnen in einem sogenannten Drogenkonsumraum die Möglichkeit, Drogen in sicherer Umgebung zu sich zu nehmen. Dort wird üblicherweise nicht Cannabis weitergegeben, sondern härtere Drogen wie Heroin oder Kokain.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen kritisierte in einer Mitteilung, Cannabis-Konsumierende hätten nach wie vor keinen “ausreichenden Zugang zu Cannabisprodukten einer gesicherten Produktqualität”. Sie warnt vor einem weiter bestehenden Schwarzmarkt mit Produkten, “von denen zusätzliche Gesundheitsgefahren ausgehen”. Die Fachstelle fordert deshalb, Cannabis-Produkte verfügbar zu machen, “die ein möglichst niedriges Risikoprofil aufweisen”.
Eine vom Cannabis-Unternehmen Sanity Group beauftragte Studie ergab 2024, dass nur rund ein Fünftel aller untersuchten Proben von illegalem Cannabis sauber waren. Mehr als 70 Prozent waren mit Haarspray gestreckt. Einige Proben enthielten Fäkalien und Bakterien, manche auch Kokain oder Methamphetamin.
Forschende des EKOCAN fordern deshalb mehr Gesundheitsschutz für Cannabis-Konsumierende, außerdem erleichterte Bedingungen für Anbauvereine. Dafür, das Konsumcannabisgesetz als gescheitert zu sehen, gebe es aber keinen Anlass. “Ich plädiere dafür, Schnellschüsse zu vermeiden”, sagt Manthey. Für 2026 erwartet er weitere Erkenntnisse. “Dann haben wir mehr Daten zu nachträglichen Entwicklungen.”