Angriff auf Gedenkstätte: Eine Stele in Flensburg erinnerte an die Ermordung von Sinti und Roma während der NS-Zeit. Nun wurde sie zerstört. Das Entsetzen darüber ist groß.
Nach der Zerstörung einer Gedenkstele für in der NS-Zeit deportierte und ermordete Sinti und Roma in Flensburg gibt es Forderungen nach Konsequenzen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg erwartet von Sicherheitsbehörden und Justiz eine schnelle Aufklärung, um damit ein Zeichen der Wehrhaftigkeit von Demokratie und Rechtsstaat zu setzen. Zentralratsvorsitzender Romani Rose bezeichnete die Tat am Freitag als “alarmierendes Zeichen des wachsenden Antiziganismus”.
Der Vorfall hatte sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ereignet. Die Gedenkstele wurde laut Polizei durch bislang unbekannte Täter gewaltsam aus ihrer Verankerung gerissen und beschädigt zurückgelassen. Den Ermittlern zufolge kann ein politisch motivierter Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Die Stele erinnert an 1935 zwangsumgesiedelte und 1940 deportierte Sinti und Roma aus Flensburg und Umgebung.
Politik und Justiz müssten anerkennen, dass der Antiziganismus genauso eine Gefahr für die innere Sicherheit sei wie der Antisemitismus, so Rose. Er zeigte sich schockiert über die Schändung und die spürbare, erschreckende Zunahme von Hass und Gewalt. Er sieht die Bevölkerung aufgerufen, gegen rechtsextremistische Tendenzen ein Zeichen an der Wahlurne zu setzen.
Der demnächst erscheinende Bericht der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus für das Jahr 2023 lasse eine Zunahme der Fälle befürchten, so Rose. Für 2022 habe der Jahresbericht 621 antiziganistische Vorfälle analysiert und dokumentiert.
Erschüttert zeigte sich auch die evangelische Schleswiger Bischöfin Nora Steen. “Erneut richtet sich ein Übergriff gegen eine Minderheit in unserer Gesellschaft”, sagte sie in einem ebenfalls am Freitag veröffentlichten Statement.
Steen mahnte: “Stigmatisiert, verachtet, drangsaliert – das ist das Schicksal der Sinti und Roma in Europa.” Auch heute noch bestünden Vorurteile fort, die zu sozialer Ausgrenzung führten. Der Akt sei ein Angriff auf “unsere Gesellschaft, unsere Werte und das, woran wir fest glauben: die uneingeschränkte Würde jedes einzelnen Menschen.”
Der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, vermisst einen gesellschaftlichen Aufschrei gegen Attacken auf Sinti und Roma. “Mangelt es uns an Wissen oder an Anstand oder an beidem?”, fragte der Beauftragte. “Wenn wir es mit den politischen Appellen für ein würdiges Gedenken ernst meinen und wenn wir wollen, dass Sinti und Roma sich in dieser Gesellschaft sicher fühlen, müssen wir klare Kante zeigen.” Dies gelte gleichermaßen für die Polizei, die Politik und die Gesellschaft.
Daimagüler verwies auf weitere Taten, wie die regelmäßige Schändung eines Mahnmals in Neumünster. In Rheinland-Pfalz seien zudem Wahlplakate eines Kandidaten aus der Minderheit mit rassistischen Schmähungen beschmiert worden.