Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Weitgehend so, wie es die Prognosen erwartet hatten. Die AfD ist zweitstärkste Partei und wird im neuen Bundestag Oppositionsführerin. Eine historische Zäsur. Bedrückend. In den nächsten Tagen muss sich zeigen, was die Parteien mit diesen Stimmenverhältnissen zustande bringen. Um die vielen anstehenden Probleme zu lösen. Nicht zuletzt, um einen noch größeren Einfluss der AfD zu verhindern.
Helfen könnten dabei Erkenntnisse aus dem Wahlkampf. Helfen könnten dabei auch die Kirchen – wenn sie ihren Kurs vielleicht noch mal überdenken. Denn für alle gilt jetzt: Mehr vermitteln und versöhnen! Empören alleine reicht nicht mehr.
Wahlkampf: Aus den USA pöbelten Musk und Vance
Einen solchen Wahlkampf gab es wohl noch nie. In den sozialen Medien des Internet waren automatisierte Programme unterwegs. Sie verbreiteten Halb- und Unwahrheiten. Aus den USA pöbelten Trump-Einflüsterer Musk und Vizepräsident Vance. Sie ätzten in ganz üblem, krawalligem Ton.
Ob das orchestrierte Bemühungen waren oder schlicht Ausdruck einer aus den Angeln geratenen Welt – Fakt ist: Das war ein schmutziger, wütender, ehrverletzender Wahlkampf. Wenig hilfreich, dass CDU-Chef Friedrich Merz noch am Vorabend der Wahl gegen „grüne und linke Spinner“ wetterte. Ähnlich, wie CSU-Chef Markus Söder seit Wochen eine Koalition mit den Grünen ausschloss – obwohl durchaus denkbar war, dass dies die letzte Möglichkeit hätte sein können, eine Mehrheit jenseits der AfD zu bilden. Genauso daneben die Forderung der Jusos, ein Bündnis mit Merz kategorisch auszuschließen.
Das alles gab einen Vorgeschmack, was uns noch blühen könnte. Der Blick in die USA zeigt, dass es immer noch schlimmer geht. Dort herrscht ein Kulturkampf; die Gesellschaft fliegt auseinander. Die politischen Gräben scheinen unüberbrückbar. Wenn es in Deutschland so weiter geht, sind wir auf dem besten Weg dorthin.
Versöhnen statt spalten, predigte der verstorbene Bundespräsident Johannes Rau vor fast 40 Jahren, sein politisches Glaubensbekenntnis. Diese Haltung wäre heute so nötig wie nie. Kein Zufall, dass Rau sich als Christ und Mensch der Kirche sah. Gerade die Kirche hätte mit ihrer Botschaft von Liebe, Hoffnung und Versöhnung die Grundlage, zu vermitteln und Gräben zu überwinden.
Nach der Wahl: Herausforderungen sind gewaltig
Wie kann das aussehen? Eine Ahnung vermittelte kürzlich Kevin Kühnert. Als Generalsekretär der SPD war er provokant und polarisierend. Bei seiner letzten Rede im Bundestag allerdings versuchte er den Brückenschlag, erinnerte daran, dass bei aller politischen Auseinandersetzung die Parteien am Ende noch in der Lage sein müssen, zusammenzuarbeiten. Vorbild kann auch die US-amerikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde sein. Man kann gar nicht oft genug ihre Predigt zur Amtseinführung von Donald Trump studieren: klar in der Sache, respektvoll im Ton.