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Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke ist vielseitig

Ulrike Liedtke wird auch die nächste Präsidentin des Brandenburger Landtags sein. Dabei kommt sie von der Musik. Religiosität ist für sie Privatsache.

Wenn am Donnerstag der Brandenburger Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, steht eine Personalie sicher fest: Die seit 2019 amtierende Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) dürfte mit den Stimmen einer großen Mehrheit der Abgeordneten für eine zweite, fünfjährige Amtsperiode gewählt werden. Denn der Musikwissenschaftlerin, die vor ihrer Wahl in den Landtag 2014 die Rheinsberger Musikakademie leitete, ist es gelungen, den Brandenburger Landtag neu zu profilieren. Zum Beispiel, als in der Ukraine der russische Angriffskrieg begann. Oder als die Terroristen der Hamas Israel überfielen, Menschen ermordeten oder verschleppten. Oder als die Botschafter Polens, Israels oder Frankreichs zu Gast im Plenarsaal des Brandenburger Landesparlaments waren. “Wir waren immer dankbar, dass Ulrike Liedtke unsere Präsidentin auch in kritischen Zeiten war und eine Ansprache gefunden hat, die die Brandenburger mitgenommen hat, und die auch bei prominenten Gästen nie belanglose Reden gehalten hat, sondern Reden, über die man nachdenken konnte”, sagt SPD-Fraktionschef Daniel Keller.

Dabei war es Liedtke nicht in die Wiege gelegt, als Landespolitikerin ein Parlament zu leiten: Zu DDR-Zeiten war die Tochter eines Dirigenten gefragte Musikkritikerin. Liedtke veröffentlichte Konzertrezensionen, schrieb Programme für das Leipziger Gewandhaus und arbeitete als Musikredakteurin für Festival- und Opernübertragungen. 1989 gründete sie in Berlin-Hohenschönhausen den Ortsverein der Sozialdemokratischen Partei der DDR mit, 1991 ging sie als Direktorin der Musikakademie nach Rheinsberg. Dass im dortigen Schlosspark heute Opernaufführungen stattfinden, ist ihr Werk. Liedtke ist Vorsitzende des Landesmusikrats und engagiert sich für die Musik und die Kultur im Land. Weswegen auch im Brandenburger Landtag zahlreiche Ausstellungen stattfinden.

Und der Innenhof des Parlamentsgebäudes seit der Corona-Pandemie in jedem Sommer Ort einer Konzertreihe geworden ist: Was aus der Not geboren wurde, um Musikern eine Auftrittsmöglichkeit mitten in der Pandemie zu schaffen, ist mittlerweile zu einer beliebten Tradition geworden, bei der sich jedem Konzert mehrere hundert Zuhörer versammeln.

Und dann ist da die evangelische Kirche: Ulrike Liedtke ist Domherrin am Dom zu Brandenburg, der wichtigsten und ältesten Kirche der Mark. Hier setzt sich die Landtagspräsidentin für die 300jährige Wagner-Orgel ein. Doch auch bei Gottesdiensten zum Landeserntedankfest oder zu Kirchenjubiläen wirkt die Landtagspräsidentin mit. “Ich habe eine enge Beziehung zur evangelischen Kirche, die freilich vor allem über die Musik läuft”, sagte Liedtke in einem Interview. “Für mich war Martin Luther immer ein Vorbild; aber Religiosität ist für mich eine sehr private Angelegenheit, die ich ungern nach außen trage.”

Als Landtagspräsidentin liegt Liedtke indes besonders das Eintreten für die Demokratie im Land am Herzen. “Wir brauchen den Kontakt zur Basis der Demokratie”, sagt Liedtke. In der abgelaufenen Legislatur hatte Liedtke immer wieder Kommunalpolitiker in den Landtag eingeladen, Ehrenamtler, Stadtverordnete und Gemeinderäte. “Die politische Bildung müssen wir weiter ausbauen”, sagte Liedtke. “Da muss mehr passieren, da brauchen wir neue Formate.” Persönlich interessiere sie etwa die direkte Demokratie und die von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eingesetzten Bürgerräte. “Mir geht es ganz wesentlich darum, diese Demokratie weiterzuentwickeln, speziell für Brandenburg.”

Weiter fortsetzen will Liedtke auch die Kontakte nach Berlin: In der letzten Legislaturperiode gründete sie zusammen mit ihrem Gegenüber aus der Bundeshauptstadt die “Parlamentarische Konferenz”, bei der Vertreter des Brandenburger Landtags und des Berliner Abgeordnetenhauses gemeinsam tagten.

Schwerste Aufgabe der alten und neuen Präsidentin aber wird wohl der Umgang mit der AfD. Die rechtsextreme Partei sitzt seit 2014 in Fraktionsstärke im Brandenburger Landtag – und gerade während der letzten Sitzungen vor der Landtagswahl wurde das Kleinklima im Plenarsaal immer hitziger. Die AfD-Abgeordneten johlten, gröhlten und pöbelten in einem fort. “Wenn es turbulent wird, werde ich ganz ruhig”, sagt Liedtke. “Das ist schon immer so: Das habe ich von meinem Leben im Theater übernommen.” Doch gelegentlich muss Liedtke im Landtag auch Ordnungsrufe verteilen. Weil das nicht immer ausreichte, schlug sie kurz vor der Landtagswahl in einem Zeitungsinterview vor, diese Ordnungsrufe mit Ordnungsgeldern zu verbinden. Ob der neu gewählte Landtag einer derartigen Änderung der Geschäftsordnung des Landtags zustimmt, wird freilich erst die Zukunft zeigen.