Der Familiennachzug wird für bestimmte Geflüchtete vorerst gestoppt. Der Bundestag hat einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalition beschlossen. Selbst aus der SPD kam bis zuletzt auch Kritik.
Einige Geflüchtete dürfen schon bald keine engen Angehörigen wie Ehepartner, Eltern oder Kinder mehr nach Deutschland nachholen. Der Bundestag hat am Freitag die Aussetzung des Familiennachzugs für Menschen mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus beschlossen. In namentlicher Abstimmung stimmten 444 Abgeordnete dafür und 135 dagegen, Enthaltungen gab es keine, wie Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow bekanntgab. An dem Schritt gibt es weiterhin viel Kritik – innerhalb und außerhalb des Parlaments.
Der Stopp soll ab Inkrafttreten zunächst für zwei Jahre gelten. Ausnahmen sind nur in Härtefällen vorgesehen. Unter subsidiären Schutz fallen häufig Bürgerkriegsflüchtlinge. Der Familiennachzug zu dieser Gruppe war zwischen 2016 und 2018 schon einmal ausgesetzt und ist seitdem auf bis zu 1.000 Menschen pro Monat beschränkt.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte die Aussetzung des Familiennachzugs in einer von Zwischenfragen und Zwischenrufen geprägten Debatte. Dadurch würden jedes Jahr 12.000 Menschen weniger nach Deutschland kommen und zugleich ein Geschäftsmodell von kriminellen Banden und Schleppern zerschlagen, erklärte Dobrindt.
Die Belastbarkeit der Sozialsysteme, des Bildungs- und Betreuungssystems und des Wohnungsmarkts hätten genauso eine Grenze wie die Integrationsfähigkeit Deutschlands, so der Minister. Deshalb müsse auch der Zuzug eine Grenze haben. Mit dem beschlossenen Gesetz wird auch das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen. Die AfD sprach sich ebenfalls für eine Aussetzung des Familiennachzugs aus.
Abgeordnete der SPD erklärten, dass die Aussetzung ein Kompromiss mit der Union sei. Alleine würde man den Stopp so nicht umsetzen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Natalie Pawlik (SPD), sagte, Integration gelinge besser, wenn Familien zusammen seien. “Das Recht auf Familie ist ein grundlegendes Menschenrecht.” Zudem sei der Familiennachzug ein legaler Fluchtweg, insbesondere für die Schwächsten wie Kinder. Man trage den Kompromiss mit, weil Härtefälle unberührt blieben und weil die Aussetzung auf zwei Jahre begrenzt sei, so Pawlik.
Der Grünen-Abgeordnete Marcel Emmerich sprach dagegen von einem “Angriff auf das Herzstück jeder Gesellschaft, auf einen ganz zentralen Wert: auf die Familie”. Das Gesetz bedeute Leid für Betroffene und sei verantwortungslos und unbarmherzig. “Wer Integration will, muss Familien zusammenführen.”
Clara Bünger von den Linken sagte, der Familiennachzug sei eine der letzten legalen Möglichkeiten, in Deutschland Schutz zu finden. “Wer diesen Weg versperrt, zwingt Familien auf Fluchtrouten, die tödlicher und gefährlicher denn je sind”, so Bünger. Die Aussetzung sei “grausame Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten”.
Kirchen und Sozialverbände lehnen den vorübergehenden Stopp mit Verweis auf den besonderen Schutz der Familie ebenfalls ab. Die Organisation Pro Asyl kündigte an, angesichts von Betroffenen, die teils bereits Monate oder Jahre auf Termine bei deutschen Behörden warteten, rechtliche Schritte zu prüfen.
Befürworter der Aussetzung wie die Kommunalverbände hoffen dagegen auf eine Begrenzung der Zuwanderung. Viele Kommunen sehen ihre Aufnahmekapazitäten erschöpft.