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Besonnener Mahner und überzeugter Katholik

Als sich Alois Glück Ende 2015 final aus der Öffentlichkeit zurückzog, wollte er endlich umsetzen, was er schon 2008 nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag vorhatte: Mehr Zeit für Frau, Kinder, Enkel und sein großes Hobby, das Bergsteigen. Denn nach 38 Jahren in der Landespolitik kamen erst noch einmal sechs weitere als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hinzu. Am Montagfrüh nun ist der CSU-Politiker und langjährige Landtagspräsident in einer Münchner Klinik im Alter von 84 Jahren gestorben. Landtagspräsidentin Ilse AIgner (CSU) würdigte Glück als Vordenker in der Sozial- und Umweltpolitik.

Geboren wurde Glück 1940 im oberbayerischen Hörzing (Landkreis Traunstein). Anfangs deutete nur wenig darauf hin, dass der Bauernbub einmal über Jahrzehnte eine feste Größe in der CSU und in der bayerischen Politik sein würde. Mit 17 Jahren übernahm er den elterlichen Bauernhof – sein Vater war im Zweiten Weltkrieg gefallen – und ging auf die Landwirtschaftsschule. In den 1960er-Jahren der Richtungswechsel: 1964 wurde Glück Landessekretär der Katholischen Landjugend Bayerns, 1970 zog er für die CSU in den Bayerischen Landtag ein und legte damit den Grundstein für eine Bilderbuch-Politikkarriere.

Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) machte ihn zum Staatssekretär, 1988 wurde Glück Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, 2003 dann Landtagspräsident. Einzig der Ministerpräsidenten-Posten fehlt in der Sammlung. Doch dafür war der bodenständige Glück in der eher hemdsärmeligen CSU wohl zu besonnen. Er legte mehr Wert auf das Sowohl-Als-Auch. Schwarz-Weiß-Denken oder Platzhirsch-Gehabe waren ihm fremd. Nicht umsonst wurde er gern als der „wandelnde Vermittlungsausschuss“ bezeichnet. Diese Grundhaltung brachte ihm nicht nur in der eigenen Partei, sondern auch beim politischen Gegner Respekt ein.

Deutlich wurde Glück mitunter trotzdem, und nervte damit Gegner wie Mitstreiter gleichermaßen. So forderte Glück kurz nach seinem Amtsantritt als Präsident des ZdK – der wichtigsten Laienorganisation der Katholiken in Deutschland – eine Lockerung des Zölibats. Damit ging er dem damaligen Augsburger Bischof Walter Mixa, der später wegen Prügel- und Veruntreuungsvorwürfen seinen Hut nehmen musste, gewaltig auf den Wecker. Ob Glück denn keine „anderen Sorgen“ habe, als eine neuerliche Debatte über das katholische Dauer-Reiz-Thema „vom Zaun zu brechen“, wetterte Mixa damals merklich verärgert.

Vom Zaun brechen – das passte an sich nicht zu dem umsichtigen Glück. Der fortschreitende Priestermangel bereitete ihm Sorgen, deshalb sollten auch verheiratete Diakone zur Priesterweihe zugelassen werden. Auch die Mitbestimmung von Frauen und Laien sollte gestärkt werden, sagte Glück schon lange vor dem „Synodalen Weg“. „Ich sehe in unserer Kirche zu viel Ängstlichkeit gegenüber der modernen Welt, zu viel Abwehr, zu viel Tendenz, in den eigenen Schutzräumen zu bleiben“, sagte Glück einmal. Die Katholikentage in Mannheim (2012) und Regensburg (2014) hat er als Präsident des ZdK maßgeblich geprägt.

Mahnende Worte gab es von Glück aber auch schon mal in Richtung evangelische Kirche: Der gelinge es auch nicht besser als der katholischen, die Menschen mit der christlichen Botschaft zu erreichen, warnte Glück im Jahr 2013 die Protestanten vor zu viel Selbstgenügsamkeit. „Das müsste uns eigentlich gemeinsam umtreiben!“ Berührungsängste mit der evangelischen Kirche hatte er keine: Beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München war er Präsident. Mit dem bayerischen Vorzeige-Protestanten Günther Beckstein, ebenfalls ein CSU-Urgestein und langjähriger Kirchenparlamentarier, konnte er gut.

Vor allem die großen existenziellen Fragen trieben Glück, der selbst einen schwerst behinderten Sohn hat, um. Die organisierte Sterbehilfe etwa lehnte er strikt ab. Auch für ungeborenes Leben machte er sich stark. So war Glück Mitbegründer des Schwangerenberatungsvereins „Donum Vitae“. Die Präimplantationsdiagnostik (PID), die vor allem zur Erkennung von Behinderungen oder Erbkrankheiten beim Embryo eingesetzt wird, war ihm ein Dorn im Auge. Der Mensch dürfe nicht zwischen lebenswert und nicht lebenswert unterscheiden, mahnte Glück: „Der Glaube verweist uns darauf, dass wir als Menschen nicht die letzte Instanz sind.“

Landtagspräsidentin Aigner würdigte Glück, der sich für „eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume und zugleich den Schutz der Natur“ eingesetzt habe. Durch seine geradlinige und ausgleichende Art sei er „stets ein gefragter Vermittler“ gewesen, wenn es darum ging, unterschiedliche Meinungen und Ansichten zu einem guten Kompromiss zusammenzuführen: „Er war ein Versöhner, dem es nie um die eigene Person ging, sondern der immer mit klugen Argumenten und Weitsicht überzeugen konnte.“ In der Friedrich-Bürklein-Halle des Bayerischen Landtags soll ein Kondolenzbuch für Glück ausgelegt werden. (00/0641/26.02.2024)