Ein Berliner Boxverein bietet mehr als nur Sport – er hilft geflüchteten Jugendlichen bei der Integration. Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat den Club in Kreuzberg nun besucht.
“Eigentlich müsste Valentyn Provision erhalten, so viele Freunde wie er schon zu uns gebracht hat”, sagt Marike Ingwersen und lacht. Sie ist die Geschäftsführerin des Berliner Boxvereins “Sports for more” – und heilfroh, dass der 16-jährige Valentyn vor gut drei Jahren den Weg in den Klub gefunden hat. “Er ist unglaublich fleißig und zielstrebig”, sagt sie in dem Boxstudio in Berlin-Kreuzberg.
Valentyn kommt aus der Ukraine und musste im Frühjahr 2022 vor dem russischen Angriffskrieg aus dem Land fliehen. Auf den Boxverein wurde er bei einem Besuch eines Deutschkurses hingewiesen, erzählt er. Es wird deutlich: Der Kurs hat sich bezahlt gemacht. Genauso wie das Boxtraining, wie Ingwersen sagt: “Wir sind sicher, dass ihm eine große Boxkarriere bevorsteht, wenn er so weitermacht.” Vergangenes Jahr wurde er Berliner U17-Meister.
“Sports for more” wurde 2017 gegründet und kombiniert Jugendsozialarbeit mit leistungsorientiertem Boxtraining. Seit 2021 ist der Verein freier Träger der Jugendhilfe. Eines der vielen Angebote des Vereins ist “United Boxing”, das sich besonders an jugendliche Geflüchtete, Mädchen sowie junge Menschen mit Migrationsgeschichte richtet. “Unsere Trainer sind auch Pädagogen”, sagt Ingwersen.
Und so bietet der Verein neben dem Sport zusätzlich Nachhilfe oder Hausaufgabenbetreuung an – “gerne auch mal in den Räumlichkeiten beim Bäcker gegenüber”. Für viele der Jugendlichen biete der Verein Orientierung und sei ein großer Halt. “Sports for more” komme auch direkt in die Unterkünfte für Geflüchtete, um auf das Angebot aufmerksam zu machen. Normaler Regelbetrieb ist in der Trainingshalle in Berlin-Kreuzberg, im Alten Waschhaus.
Um mit den geflüchteten Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, hat die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, den Verein auf einer Sommertour nun bei einem Training besucht. Und sie fordert: “Menschen in Verantwortung müssen das Gespräch mit den betroffenen Jugendlichen suchen, ihnen zuhören”. Weiter sagt Heinrich der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Sie müssen sich kritischen Fragen stellen, ohne deren Beantwortung auf die Jugendlichen zu schieben.”
Bei ihrer Tour durch Deutschland will sie ganz bewusst mit geflüchteten Jugendlichen über ihre Erfahrungen sprechen. “Ich habe sehr unterschiedliche Gruppen an jungen Menschen erlebt – sie alle haben etwas zu sagen. Sie haben aber nicht das Gefühl, dass ihre Meinungen und Erfahrungen wertgeschätzt werden”, so die 29-Jährige bei ihrem Stopp bei “Sports for more”. “Viele denken sich: ‘Ich kann ja sowieso keinen Unterschied machen.’ Und das finde ich hochproblematisch, denn junge Menschen können wirklich etwas zu den Debatten beitragen.”
Heinrich legt bei ihrem Besuch auch selbst die Boxhandschuhe an, schlägt auf einen hängenden Sandsack. Für sie besteht in Deutschland noch Handlungsbedarf bei der Integration. In der Fläche gelinge zwar schon viel, “aber wenn ich höre, wie der Alltag von vielen jungen Ukrainern aktuell ist, müssen wir weitermachen”. Einige Jugendliche hätten auf Heinrichs Tour etwa erzählt, dass sie wegen ihrer Kriegserfahrungen verspottet werden. “Ankommen hört nicht bei einer gefundenen Unterkunft auf.”
Zudem sei auch die Hilfe in der Ukraine selbst wichtig. Dort könnten kirchliche Hilfsorganisationen wie die Diakonie Katastrophenhilfe oder Brot für die Welt viel leisten. Viel werde auch bereits getan. “Das fordern auch die Jugendlichen aus der Ukraine.” Oft höre sie: “Denkt an unsere Landsleute, die noch dort sind!”