Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nimmt eine gestiegene Anfrage von Schutzsuchenden nach Kirchenasyl wahr. Eine EKD-Sprecherin sagte den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Sonntag), dass sich die Zahl der Anfragen teilweise „mehr als vervierfacht“ hätte. Ursache sei ein gestiegener Abschiebedruck. Aufgrund der großen Nachfrage könne nicht in jedem Fall ein Kirchenasyl gefunden werden, sodass Betroffene oft „schutzlos bleiben“, betonte sie. Laut dem Bericht der Funke-Zeitungen verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im ersten Quartal dieses Jahres 617 Fälle von Kirchenasyl, 2024 waren es noch 604 im gleichen Zeitraum.
Auch die Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, nimmt laut dem Bericht „eine wachsende Angst und Verunsicherung bei Menschen mit ungesichertem Aufenthalt“ wahr, die „zu einer stark steigenden Zahl von Anfragen nach kirchlichem Schutz“ führe. Sie kritisierte zudem, dass verkürzte und wenig sachlich geführte Debatten oft bewirkten, „dass auch Menschen, die nicht von Abschiebungen bedroht sind, wachsende Ablehnung und pauschale Urteile spüren“. Die öffentliche Debatte um Abschiebungen „vergiftet in der Art, wie sie geführt wird, unser gesamtes gesellschaftliches Miteinander“, kritisierte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft.
Bei einem Kirchenasyl gewährt eine Kirchengemeinde von Abschiebung bedrohten Geflüchteten einen zeitlich befristeten Schutz. Seit 2015 gibt es zwischen dem Bamf und den Kirchen eine Vereinbarung, die vorsieht, dass das Bundesamt Asylfälle erneut prüft. Die Kirchengemeinden sollen wiederum Dossiers zur Prüfung einreichen. Menschen, denen durch eine Abschiebung Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit oder nicht hinnehmbare Härten drohen, sollen dadurch ein neues Asylverfahren oder ein Bleiberecht in Deutschland erhalten. Der Staat toleriert das Kirchenasyl, bei dem Kirchengemeinden Flüchtlingen Wohnraum bieten und sie versorgen. Allerdings kann er von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um Betroffene abzuschieben.
Im Jahr 2024 gingen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 2.386 Meldungen ein. Das waren etwa 300 Fälle mehr als 2023 (2.065). Die im vergangenen Jahr gemeldeten Fälle betrafen nach Angaben des Bundesamts 2.966 Menschen. Überwiegend waren es sogenannte Dublin-Fälle, das heißt, für das Asylverfahren der Betroffenen wäre eigentlich ein anderer europäischer Staat zuständig. Nur 39 Fälle hatten demnach keinen Dublin-Bezug, die Abschiebung drohte also in ein anderes Land außerhalb der EU.