Dass Verfehlungen der Kirche in Belgien beim Papstbesuch zur Sprache kommen würden, war zu erwarten. Aber König Philippe und Premier De Croo sprachen das Thema Missbrauch überraschend deutlich an.
Die belgische Staats- und Regierungsspitze, König Philippe und Premierminister Alexander De Croo, hat beim Besuch von Papst Franziskus auf eine konsequente Aufarbeitung von Verfehlungen der katholischen Kirche gedrängt. Der Papst habe “die unsägliche Tragödie des sexuellen Missbrauchs innerhalb der kirchlichen Institution unnachgiebig angeprangert” und “konkret gehandelt, um diese abscheuliche Gewalt zu bekämpfen”, sagte König Philippe am Freitag in Brüssel in einer Begrüßungsrede an Papst Franziskus. “Kinder wurden schrecklich verletzt und fürs Leben gezeichnet. Dasselbe gilt für Opfer von Zwangsadoptionen”, so der König.
“Es hat sehr lange gedauert, bis ihre Schreie gehört und anerkannt wurden”, so der Monarch weiter. Die Suche nach Wegen, um das Irreparable zu “reparieren”, habe viel Zeit in Anspruch genommen. “Wir kennen die Bemühungen der belgischen Kirche, in dieser Richtung zu arbeiten; sie müssen entschlossen und unermüdlich fortgesetzt werden”, forderte das Staatsoberhaupt.
Ähnlich äußerte sich Regierungschef Alexander De Croo in seiner Rede an den Papst. Auch wenn die Kirche ihren Platz in der Gesellschaft habe und der Glaube vielen Menschen Orientierung gebe, könne man “die schmerzhaften Wunden” durch die vielen Fälle von sexuellem Missbrauch und Zwangsadoptionen nicht ignorieren. Sie hätten das Vertrauen “erheblich beschädigt”, so der Premierminister. Es gehe um mehr als nur eine moralische Verantwortung.
Vertuschung, “wenn etwas schief geht”, sei nicht zu akzeptieren, sagte der Premier. “Dies schadet der wertvollen Arbeit aller.” Deshalb reichten Worte allein heute nicht mehr aus, nötig seien konkrete Schritte. Die Opfer müssten gehört werden. “Sie haben ein Recht auf die Wahrheit.” Ebenso müsse das Fehlverhalten anerkannt und Gerechtigkeit geschaffen werden, unterstrich De Croo.
König und Regierungschef äußerten sich bei einer Begegnung des Papstes mit Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft im Schloss Laeken. In seiner Ansprache im Anschluss prangerte Papst Franziskus die “Geißel” und “Schande” sexualisierter Gewalt in der Kirche an und distanzierte sich von der bis in die 1970er Jahre herrschenden Praxis der Zwangsadoptionen von Kindern unverheirateter Mütter.
Am Nachmittag ist eine Begegnung des Papstes mit dem Lehrpersonal der flämischen Katholischen Universität Leuven geplant. Am Samstag besucht er Studierende des französischen Teils der Universität im wallonischen Louvain-la-Neuve.