Elf Jahre lang war Barbara Görich-Reinel (65) evangelische Polizeiseelsorgerin, am 17. September wird sie an ihrem Geburtsort Langen in der Evangelischen Stadtkirche in den Ruhestand verabschiedet. Die Leitende Polizeipfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat eine Polizeijacke mit eigenem Logo. „Ich finde sie unglaublich bequem und warmhaltend“, sagte Görich-Reinel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber bei Einsätzen habe sie immer eine Zweitjacke dabei. „Ich frage die Einsatzleitung: Was empfiehlt sich heute?“, berichtete sie.
Zumindest in einer Situation sei die zivile Jacke besser gewesen. Bei einem Polizeieinsatz am Frankfurter Waldstadion wegen eines Fußballspiels der Eintracht Frankfurt gegen die Lilien Darmstadt mit Hunden, Reiterstaffel und Hubschrauber sei die Auseinandersetzung zwischen den Fans und mit der Polizei eskaliert. „Da war es gut, dass ich in zivil unterwegs war“, erinnerte sich Görich-Reinel. Als Seelsorgerin nehme sie sich der Polizistinnen und Polizisten an. „Ich frage, wie es ihnen geht, höre zu und versuche, sie zu verstehen.“ Manche Beamte fragten sich bei einem solchen Einsatz: „Für wen halten wir hier eigentlich den Kopf hin?“ Den Polizisten werde eine hohe Verantwortung auferlegt, gab Görich-Reinel zu bedenken. „Sie müssen sich immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel und nach einem möglichen Gewaltverzicht stellen.“
Auch in der Behörde ist die Seelsorgerin gefragt. „Die Polizeianwärter und -anwärterinnen kommen mit Idealen“, schilderte Görich-Reinel. „Manche bewahren sie gut, andere werden mit negativen Erfahrungen konfrontiert und sind enttäuscht.“ Ein Seminar zum Thema Organisationsfrust sei mehrfach nachgefragt worden. „Die Kirche hat den Vorteil, dass sie von außen auf die Organisation Polizei blicken kann“, erklärte die Pfarrerin. Starkes Interesse zeigten die Beamten auch an einem Seminar über Nachrufe, wie man passende Worte angesichts des Todes finden kann. „Unangenehme Themen“ wie Rassismus oder Sexismus greife sie im berufsethischen Unterricht für angehende Polizeibeamte ebenfalls auf, sagte Görich Reinel. Aber auch von der Polizeihochschule würden alle Formen von Diskriminierung bearbeitet.
„Die Polizei ist unglaublich bemüht und engagiert“, findet Görich-Reinel. „Die meisten tun mehr, als sie müssten.“ Gegenüber einer Pfarrerin in der Dienststelle seien Beamte anfangs skeptisch. Aber nach Gesprächen öffneten sich Türen, und die meisten Polizisten freuten sich: „Da nimmt uns jemand wahr.“
Die Kirche betrachte die Polizeiseelsorge nur als Randgebiet, bedauerte Görich-Reinel. Dabei könne sie davon profitieren, wenn sie mit Menschen im Alltag in Kontakt kommt. „Es wäre gut, die Berufswelt mehr ins Zentrum des kirchlichen Denkens zu rücken“, findet die Polizeipfarrerin. Die katholische Kirche habe im Gegensatz zur EKHN das Polizeipfarramt ausgebaut, mit ihren fünf Stellen in Hessen sei sie doppelt so stark vertreten wie die evangelische Kirche im Land. Görich-Reinels Stelle soll erst zum 1. Januar 2026 wieder besetzt werden.