Mit Blick auf die Bauern-Proteste warnt der Protestforscher Daniel Saldivia Gonzatti vor einer zunehmenden Radikalisierung der Protestkultur in Deutschland. „Es gibt eine größere Gewaltbereitschaft und einen raueren Ton in der Bevölkerung“, sagte der Politikwissenschaftler vom Berliner Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Zunächst sei es nicht verwunderlich gewesen, dass die Bauern nach den Kürzungen von Agrar-Subventionen auf die Straße gingen. „Das ist erstmal sehr legitim und man hätte es eigentlich nicht anders erwartet“, sagte der Wissenschaftler. Es handle sich um einen klassischen Arbeiterprotest.
Radikalisierungsmoment am Fährhafen in Schlüttsiel
Saldivia Gonzatti sprach von einem „Radikalisierungsmoment“ in Bezug auf die Blockade von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Fährhafen in Schlüttsiel. Auch wenn nicht alle Landwirtinnen und Landwirte gewaltbereit und rechtsradikal seien, solle man ein solches Ereignis nicht relativieren. Habeck war am Donnerstagabend am Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein von einem Urlaub auf der Hallig Hooge zurückgekehrt. Wütende Bauern hatten den Minister am Verlassen der Fähre gehindert, sodass er umkehrte.
Protestforscher Saldivia Gonzatti beobachtet eine zunehmende Radikalisierung von Protesten seit etwa drei Jahren. Nach einer aktuellen repräsentativen Umfragestudie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, an der der Wissenschaftler beteiligt war, sind zehn Prozent der Befragten im politischen Kontext gewaltbereit. 15 Prozent fänden es in Ordnung, wenn andere Gewalt anwendeten. „Das klingt erstmal wenig für die ganze Gesellschaft, aber für Ereignisse wie in Schlüttsiel braucht es lediglich eine überschaubare Gruppe“, sagte er.
Unterwanderung von Rechts
Zudem lasse sich seit der Corona-Pandemie beobachten, dass Rechtsradikale Proteste unterwanderten, warnte Saldivia Gonzatti. Solche Versuche seien zurzeit auch bei den Bauern-Protesten potenziell zu beobachten. Der weitere Verlauf der Bauern-Proteste sei nun davon abhängig, wer diese präge.