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Axel Scheffler über ein Monster und den Nutzen von Eichhörnchen

Im Jahr 1988 illustrierte Axel Scheffler sein erstes Buch. Inzwischen ist der gebürtige Hamburger einer der bekanntesten Illustratoren von Kinder- und Jugendbüchern weltweit. Seit über vier Jahrzehnten lebt der 67-jährige Scheffler in London. Er arbeitet in seinem Haus, in einem Atelier unter dem Dach, meist von 9 bis 17 oder 18 Uhr. Er sei kein “Nachtarbeiter”, sagt er zu Beginn des Gesprächs mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Zum Zeichnen brauche ich schließlich Tageslicht.”

KNA: Herr Scheffler, bei Signierstunden erfüllen Sie mit Ausdauer und bemerkenswerter Freundlichkeit die Wünsche ihrer kleinen und großen Leser, zeichnen Monster, Mäuse und Hexen in soeben erworbene Bücher. Woher nehmen Sie die Geduld?

Scheffler: Ach, das ist eigentlich relativ entspannt. Ich schreibe ja nur meinen Namen und füge eine Figur hinzu. Die Leute, die anstehen, brauchen viel mehr Geduld, vor allem, wenn sie kleine Kinder dabei haben.

KNA: Aber schmerzt hinterher nicht die Hand?

Scheffler: Die ist viel lockerer, als wenn ich die Illustrationen für die Bücher anfertige. Außerdem: Viele Leute arbeiten acht Stunden am Tag. Da will ich mich nicht beschweren, wenn ich mal für drei Stunden meinen Namen schreibe und Grüffelos male.

KNA: Ihre berühmteste Schöpfung feiert in diesem Jahr 25. Geburtstag…

Scheffler: Nur das Buch mit der Geschichte von Julia Donaldson! Wie alt der Grüffelo tatsächlich ist, das wissen wir nicht.

KNA: Was wünschen Sie dem im Wald lebenden Monster mit den knotigen Knien und der giftigen Warze für die nächsten 25 Jahre?

Scheffler: Vielleicht müsste ich dem Grüffelo mal wünschen, dass er endlich eine Maus zu essen kriegt. Aber es sieht nicht so aus, als würde er das schaffen. Grundsätzlich glaube ich, dass er inzwischen sein eigenes Leben hat und ich mich nicht mehr allzu sehr um ihn kümmern muss.

KNA: Sie haben einmal gesagt, dass der Grüffelo eigentlich gar nicht Ihr Lieblingsbuch ist.

Scheffler: Ein richtiges Lieblingsbuch habe ich nicht. Es gibt welche, die mir besser gefallen. Ich bin nicht so gut im Zeichnen der realen Welt. Deswegen mag ich lieber märchenhafte Themen.

KNA: Zum Beispiel?

Scheffler: “Räuber Ratte”, “Stockmann”, “Die Schnetts und die Schmoos”, also alle Bücher von Julia Donaldson, die ein bisschen verrückter sind.

KNA: Der “Stockmann” ist eine von mehreren Figuren, die auch in anderen von Ihnen illustrierten Büchern auftauchen.

Scheffler: Frösche kann man auch oft finden.

KNA: Und Eichhörnchen! Was macht speziell dieses Tier so sympathisch?

Scheffler: Ich bin eigentlich gar kein so fanatischer Eichhörnchen-Fan, wie viele denken.

KNA: Immerhin haben Sie vor einigen Jahren einen Text aus dem Jahr 1910 über das Halten von Eichhörnchen bebildert…

Scheffler: In den Kinderbüchern sind Eichhörnchen einfach nützlich, um ein wenig Farbe hineinzubringen. Es gibt eben nicht so viele Tiere, die so frei in der Natur herumspringen. Ich habe mich auf das rote Eichhörnchen konzentriert, obwohl in England viel mehr graue leben.

KNA: Eine invasive Art, wie es immer heißt.

Scheffler: Die haben kein gutes Image – aber die können ja nun auch nichts dafür, dass sie seit bald 100 Jahren da sind.

KNA: Stimmt auch wieder.

Scheffler: Es gibt aber noch einige Ecken, wo rote Eichhörnchen leben. Ich bin witzigerweise Schirmherr bei einer Organisation zum Schutz der roten Eichhörnchen auf der Insel Wight, “The Isle of Wight Red Squirrel Trust”. Ich musste für diese Organisation noch nie etwas tun. Aber ich könnte das auf meine Visitenkarte schreiben: “Honorary Patron of The Isle of Wight Red Squirrel Trust”. Das ist doch ein guter Titel…

KNA: Zweifellos. Der jüngste Zuwachs in der Tierwelt des Axel Scheffler hört auf den Namen Ponti Pento und ist ein kleiner Pinguin, der sich aus dem Zoo schleicht, um auf einer Reise zum Südpol nach seinem wahren Zuhause zu suchen. Ist das eine der Grundbotschaften der Bücher von Julia Donaldson und Ihnen: “Habt keine Angst und schaut euch in der Welt um”?

Scheffler: Ich bin als Illustrator nicht für die “Message” zuständig. Die Autorin mag dieses Wort übrigens auch nicht sonderlich. Eine gewisse Neugier bei Kindern halte ich für fördernswert. Aber wir wollen natürlich jetzt nicht, dass alle Mädchen und Jungen von zu Hause ausbrechen, wie der Pinguin aus dem Zoo, und zum Pol wandern.

KNA: Gerade in der Vorweihnachtszeit werden manche Eltern nach Büchern für den Nachwuchs Ausschau halten. Was zeichnet ein gutes Kinderbuch aus und wie findet man das?

Scheffler: Objektive Kriterien fallen mir gerade keine ein. Es gibt so viele schöne Kinderbücher…

KNA: Also im Zweifel einfach mal in eine Buchhandlung vor Ort und sich inspirieren lassen?

Scheffler: Genau.

KNA: Die von Ihnen illustrierten Bücher sind alle in einem unverwechselbaren Stil gehalten. Hätten Sie Lust, auch einmal ganz anders zu zeichnen?

Scheffler: Hin und wieder habe ich den Traum, etwas ganz anderes zu machen. Aber mein Stil ist nun einmal sehr erfolgreich, was den Verkauf der Bücher anbelangt. Selbst Kinder erkennen ihn und merken sich meinen in England nicht so leicht auszusprechenden Namen.

KNA: Wenn Ihnen jetzt ein Verlag sagen würde: “Machen Sie, was immer Sie wollen.” Wäre das nicht die Gelegenheit, um Ihren Traum zu verwirklichen?

Scheffler: Dann hätte ich wahrscheinlich keine Ahnung, was ich machen sollte. Am liebsten habe ich Instruktionen. Wollte ich tatsächlich einen anderen Stil entwickeln, bräuchte ich außerdem ein bisschen Zeit. Und ich weiß gar nicht, ob es funktionieren würde.

KNA: In den 1990er-Jahren mussten Sie einmal auf Geheiß eines Verlags in den USA ein Euter einer Ziege aus einem Kinderbuch entfernen. Wie gehen Sie mit den Reizthemen Cancel Culture und Political Correctness um?

Scheffler: Wenn etwas beanstandet wird, dann ändere ich das. Ich bin da ganz flexibel und versuche, im Vorhinein mögliche Probleme zu umgehen. Das funktioniert im Grunde genommen recht gut. Manchmal passieren allerdings Dinge, auf die man gar nicht kommen kann.

KNA: Zum Beispiel?

Scheffler: In einem Bilderbuch der Reihe Pip und Posy sitzen das Mausmädchen Posy und der Hasenjunge Pip zusammen in einer Badewanne. Das musste für die Ausgabe in China geändert werden. Die konnten diese Vorstellung offenbar nicht ertragen.

KNA: Kurz bevor die Briten 2016 für den Ausstieg aus der EU stimmten, haben Sie eine Karikatur veröffentlicht: Ein Löwe und ein Einhorn, die beiden Wappentiere Großbritanniens, schauen besorgt auf die Nationalfigur Britannia, die gerade dabei ist, mit ihrem Schwert das Band zu Europa zu kappen. Der Löwe fragt: “Das wird sie doch nicht machen, oder?” Sind Sie immer noch traurig über den Brexit?

Scheffler: Die Wut, die Traurigkeit darüber ist geblieben. Das Thema wird in der Politik totgeschwiegen, obwohl die Briten laut Umfragen in der Zwischenzeit mehrheitlich eingesehen haben, dass der Brexit ein Fehler war. Vielleicht merken sie ja jetzt mit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA, dass es besser wäre, wieder näher an Europa heranzurücken, anstatt auf das amerikanische Pferd zu setzen. Ob jemand die traumatische Erfahrung des Referendums noch einmal machen möchte, wage ich allerdings zu bezweifeln.

KNA: Welches Tier würde der Illustrator Axel Scheffler dem künftigen US-Präsidenten Trump zuordnen?

Scheffler: In solchen Dingen bin ich nicht so gut, das überlasse ich lieber anderen Zeichnern.

KNA: Es gibt Karikaturen, die mit Blick auf die Frisur Trumps nahelegen, er trage ein Eichhörnchen auf dem Kopf.

Scheffler: Die armen Eichhörnchen.

KNA: Wie wird das nächste Buch von Julia Donaldson und Axel Scheffler heißen?

Scheffler: Das dürfen wir noch nicht verraten. Aber natürlich ist wieder ein Projekt im Ofen mit ihr. Eigentlich ist es so, dass ich immer etwas zum Zeichnen auf dem Schreibtisch habe.

KNA: An Ruhestand ist nicht zu denken, oder?

Scheffler (lacht): Eigentlich wollte ich in Rente gehen. Aber mich lässt ja keiner.