Waslat Hasrat-Nazimi erzählt in ihrem neuen Buch vom täglichen Rassismus in Deutschland und der Angst vor einer Zukunft mit rechtsextremer Regierung. Ein eindringlicher Appell gegen das Wegsehen.
Fast jeder fünfte Mensch, der heute in Deutschland lebt, ist selbst eingewandert. Zu den Migranten zählt auch die Journalistin und Schriftstellerin Waslat Hasrat-Nazimi, die mit ihren Eltern als Kleinkind aus Afghanistan floh. Noch heute dröhnen ihr die Worte “Ausländer! Ausländer!” einer Horde Schulkinder in den Ohren, die sie verfolgte. Das schreibt Hasrat-Nazimi in ihrem neu erschienenen Buch “Rausländer. Unsere Koffer sind gepackt”. Denn obwohl hierzulande sogar jeder Vierte aus einer Familie mit Einwanderungsgeschichte kommt, ist Diskriminierung und Rassismus für Menschen mit Migrationsgeschichte Alltag. Wie sich beides anfühlt und auswirkt, beschreibt die Journalistin, 1988 geboren, eindrucksvoll.
“In den letzten Monaten fürchte ich immer häufiger, dass ich ein weiteres Mal in meinem Leben aufgrund von Bedrohung und Verfolgung flüchten muss”, so Hasrat-Nazimi. Denn seitdem die AfD immer stärker politisches Gewicht gewinnt, ist die Frage “Hast du schon einen Plan B, wenn die AfD an die Macht kommt?” ihrzufolge Teil von Gesprächen zwischen Menschen mit internationaler Familiengeschichte. Waslat Hasrat-Nazimi selbst sagt, sie habe sich stets weitergebildet, entwickelt und versucht, das “Spiel der Integration zu gewinnen”. Aber, schreibt sie desillusioniert: “Egal, wie weit ich komme, bin ich doch nur eins: Ausländer, Ausländer.” Selbst Integration und Leistung schützten eben nicht vor Rassismus.
Die Medien, so Hasrat-Nazimi, seien mitverantwortlich dafür, dass rechtsextreme Ideologien normalisiert würden. Journalisten verwendeten Begriffe wie “Remigration” oft kontextlos in der Berichterstattung, fielen auf die Provokationsstrategien der AfD immer wieder hinein oder stellten beispielsweise Migration in den Jahren zwischen 2016 und 2020 zunehmend negativ dar. Die Verantwortung der Medien, rechtsextreme Narrative einzuordnen und ihre Macht als vierte Gewalt auszuüben, könnte kaum größer sein, sagt die Journalistin. “Und trotzdem kommen Medienschaffende dieser Verantwortung meiner Meinung nach nicht ausreichend nach.”
Wie Nadelstiche streut die Autorin Erfahrungen ihres eigenen Lebens in ihr Buch ein: Beispielsweise dass einer ihrer Lehrer ihr gesagt habe, er würde einen Besen fressen, sollte sie studieren. Heute ist Hasrat-Nazimi die Leiterin der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle in Bonn. Minderwertigkeitsgefühle, Versagensängste und Hoffnungslosigkeit hätten sich bei ihr dennoch durch die vielen rassistischen Erfahrungen manifestiert. Benachteiligungen erleben eingewanderte Menschen auch nicht nur im Bildungsbereich, sondern ebenso bei der Job- und Wohnungssuche oder im Justizsystem, wie Hasrat-Nazimi anhand vieler Studien darlegt.
Dazu kommt eine seit Jahren zunehmende Polarisierung und eine gefährliche Zuspitzung der Migrationsdebatte. Die Angst, dass der Tag X kommen könnte, an dem Migranten das Land verlassen müssen, ist für diese deshalb sehr real, schreibt Hasrat-Nazimi. Und obwohl für sie das “jahrzehntelang beschworene ,Nie wieder'” gescheitert ist, sucht die Journalistin nach Lösungen. So fordert die Journalistin und Autorin etwa, Artikel 3 des Grundgesetzes zu ändern und den Begriff “Rasse” zu ersetzen – weil er ein rassistisches Konstrukt reproduziere. Zudem sollte Hasrat-Nazimi zufolge das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz reformiert werden – und etwa um weitere Diskriminierungsmerkmale ergänzt werden.