Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz befreit. Schon vor der Gedenkveranstaltung vor Ort zum 80. Jahrestag ein großes Thema. Denn die Gefahr sei längst nicht Geschichte, warnen viele.
Gegen das Vergessen und gegen eine Zunahme des Judenhasses – viele solche und ähnliche Appelle gab es am Wochenende im Vorfeld des Holocaust-Gedenktags am Montag. Im Vatikan rief Papst Franziskus zum weltweiten Kampf gegen Antisemitismus auf: “Der Schrecken der Vernichtung von mehreren Millionen Juden und Menschen anderen Glaubens in jenen Jahren darf weder vergessen noch geleugnet werden.”
Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte dazu auf, mehr Besuche an Gedenkorten zu ermöglichen, die an die Gräuel der NS-Zeit erinnern. “Wer einmal in Auschwitz war, der stellt sich nicht die Frage, warum die Erinnerung an die Schoah wachgehalten werden muss”, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.
Außerdem rief er dazu auf, Lehrer im Umgang mit Antisemitismus auszubilden. Im “Tagesspiegel” sagte er, er hoffe, “dass es grundsätzlich nicht zu einer so großen Geschichtsvergessenheit in Deutschland kommt, dass dies einer rechtspopulistischen, rechtsextremen Partei weiteren Zulauf ermöglicht”.
Beim Gedenken an die Gräuel der Nazi-Zeit dürfe es keinen Schlussstrich geben, mahnte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in der “Rheinischen Post”. Rufe danach kämen verstärkt von rechts wie von links. “Jüdisches Leben in Deutschland ist heute so gefährdet, wie seit der Schoah nicht mehr”, fügte er hinzu. Auch judenfeindliche Straftaten hätten einen Höchststand erreicht.
Die KZ-Gedenkstätten in Deutschland sorgen sich wegen des gesellschaftlichen Klimas und beklagen eine Zunahme der Attacken gegen die Erinnerungsarbeit. “Der mehrheitsgesellschaftlich getragene Konsens, rechtsextreme oder antisemitische Haltungen abzulehnen, ist ins Rutschen geraten”, sagte Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland, der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. Das mache die Arbeit der Gedenkstätten immer schwieriger – und “Schmierereien, Beschädigungen und andere Übergriffe sind mittlerweile unser Alltag”.
Die Konferenz der Europäischen Rabbiner rief dazu auf, das Wissen über die Schoah aktiver und moderner an junge Menschen zu vermitteln. Es müsse alle aufrütteln, dass eine aktuelle Studie der Jewish Claims Conference ergeben habe, dass viele kaum noch etwas über den Holocaust wüssten. In Deutschland etwa hätten vier von zehn Befragten gesagt, sie wüssten nicht, dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Nazi-Zeit ermordet wurden.
“Auschwitz darf sich nicht wiederholen”, betonte Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. Das Gedenken mahne, “unsere Werte zu verteidigen und radikal-einfachen Antworten auf komplexe Herausforderungen unmissverständlich eine Absage zu erteilen”. Diese könnten zum Nährboden neuer radikal menschenverachtender Positionen werden.
Am Freitag bereits hatten die katholischen Bischöfe zu gesellschaftlicher Wachsamkeit und Engagement gegen Judenfeindlichkeit aufgerufen: “Wir müssen im Alltag den dumpfen Vorurteilen widersprechen und mit Zivilcourage denen beistehen, die verbal oder physisch angegriffen werden.” Die Gesellschaft dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass jüdisches Leben nur unter Polizeischutz stattfinden könne.