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Auf jeden Fall sprachfähig bleiben

Bei einer Podiumsdiskussion in Bedburg ging es um Chancen und Risiken des zivilen Ungehorsams am Beispiel des Hambacher Forsts.

BEDBURG – Es wurde dann doch nicht so hitzig, wie es manche erwarteten, befürchteten oder vielleicht sogar erhofften. Versöhnlich war jedenfalls das Schlusswort von Markus Zimmermann: „Wir müssen dialogfähig bleiben und die Schritte weitergehen, nachdem wir uns unsere Geschichten erzählt haben. Dafür wird die Kirche ihren Beitrag leisten.“

Der Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord war Gast bei der Podiumsdiskussion im Gemeindehaus der evangelischen Friedenskirche in Bedburg. Das Thema lautete „Was macht ziviler Ungehorsam mit der Region?“. Unter der Moderation von Sammy Wintersohl, Pressesprecher des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, diskutierten auch Dirk Weinspach, Polizeipräsident in Aachen, Christian Mertens, Rechtsanwalt aus Köln, und Klaus Emmerich, Betriebsrat bei RWE. Die Veranstaltung war Auftakt einer vierteiligen Reihe von Diskussionsabenden in Gemeinden des Braunkohlegebietes im Westen von Köln.

Im Oktober 2018 verfügte das Oberverwaltungsgericht Münster eine vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst. „Wir haben es hier mit einem gravierenden gesellschaftlichen und politischen Konflikt zu tun. Die Polizei hat nicht den Anspruch, diesen Konflikt zu lösen“, erklärte Polizeipräsident Weinspach zu Beginn. Den Konflikt müsse die Politik lösen; die Polizei müsse dafür sorgen, dass der Konflikt nach den Regeln des Grundgesetzes geführt werde. Denn eines müsse in jedem Fall gelten: „Gewalt ist nicht hinnehmbar.“

Wenn Demonstranten den Polizisten nicht mehr als Mensch sähen, sondern „vermummt, schreiend und mit einem Molotow-Cocktail in der Hand auf Polizisten zulaufen, ist kein Gespräch mehr möglich. Das ist die Vorstufe zum Bürgerkrieg.“ Eine Aktivistin aus dem Forst konterte: „Wie bewerten Sie das denn, wenn ein Polizist hoch aufgerüstet, mit Helm, bewaffnet und ohne eine Chance, ihn zu identifizieren, auf einen Demonstranten losgeht?“

Christian Mertens forderte, den Gewaltbegriff differenzierter zu sehen. „Über Grenzen kann man lange diskutieren. Aber oft spricht man von Gewalttaten, und dann hat jemand nur auf einem Bagger gesessen.“ Er forderte Dialog von beiden Seiten. Die Diskussion laufe in die falsche Richtung, wenn immer nur in den Kategorien Gut und Böse gedacht werde.

Superintendent Markus Zimmermann wies darauf hin, dass die evangelische Kirche mit ihren Kirchenasylen zivil ungehorsam sei, dass jedoch bei jedem Kirchen­asyl die Polizei verständigt werde. „Wir leben in einem Rechtsstaat. Wir als Kirche positionieren uns nicht konfrontativ gegen die Behörden.“ Ziviler Ungehorsam sei an Regeln gebunden. Zimmermann hat beobachtet, dass der Konflikt um die Braunkohle innerhalb von Gemeinden zu Sprachlosigkeit geführt hat. „Das darf nicht sein. Wir müssen immer sprachfähig bleiben.“

Ziviler Ungehorsam könne bereichern und auf Missstände aufmerksam machen, so Klaus Emmerich, Betriebsrat bei RWE. Aber: „Wenn es gegen die leibliche Unversehrtheit geht, ist es Gewalt.“ Für den Satz „Ziviler Ungehorsam ist von vornherein nichts Schlechtes“ erntete Emmerich Applaus vom größten Teil des Publikums.