Zu allen Zeiten kamen Pilger ins Heilige Land. Gläubige der drei großen Weltreligionen besuchen die historischen Stätten – und davon konnten die Menschen vor Ort über Generationen hinweg gut leben. Für die Christen ist natürlich Bethlehem ein besonderer Ort – weil die Stadt der Überlieferung nach der Geburtsort Jesu ist. Familien wie die von Georg al Atrash, den alle Abu Jakub nennen, haben sich darum schon vor langer Zeit einem traditionellen Handwerk verschrieben: Aus Olivenholz stellen sie Kreuze, Rosenkränze, Madonnen und andere Schnitzereien her. Die kunstvolle Fähigkeit wird von Generation zu Generation, vom Vater an den Sohn weitergegeben.
Julia Holtz, Pfarrerin in der Johanniskirche in Witten, hat nach dem Theologie-Studium als missionarisch-diakonische Helferin in Beit Jala in Palästina gearbeitet. Das Land und seine Menschen haben sie auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nie losgelassen – und die Zerrissenheit der Region hat sie bei all ihren Besuchen, aber auch an der Ruhr immer wieder gespürt.
„Früher gab es ein gutes Nebeneinander zwischen den christlichen und muslimischen Nachbarn“, bedauert die Theologin. „Doch seit dem Ende der zweiten Intifada hat sich vor allem in der muslimischen Gemeinde viel verändert.“ Die ständig angespannte Situation zwischen Israelis und Palästinensern hat wirtschaftliche Folgen für Menschen wie Abu Jakub. „Seit die Mauer da ist, kommen kaum noch Touristen.“
Und auch das Miteinander zwischen Christen und Muslimen hat sich verändert. „Die Atmosphäre zwischen den großen Religionen habe ich aus ,meiner Zeit‘, das war 1992-1993, in entspannter Erinnerung“, denkt Julia Holtz zurück. „Man gratulierte sich gegenseitig zu den Festtagen und feierte Feste zusammen.“ Im Mai traf sie Abuna Suhail Fakhouri, den Priester der Melkitischen Gemeinde. Er berichtete von eingeschüchterten Muslimen, „die sich nicht mehr trauen, zu sagen, dass das, was der IS macht, nichts mit Islam zu tun hat“.
Etwa 500 christliche Familien leben rund um Bethlehem noch vom Verkauf ihrer Holzarbeiten aus Olivenholz. Bei ihrem letzten Besuch im Mai traf Julia Holtz Schnitzer in Bethlehem, Beit Sahour und Beit Jala. Sie erzählen von Söhnen, die ausgewandert sind und von Betrieben, in denen darum der Nachwuchs fehlt. Manche der Nachbarn haben einen Job in Jerusalem angenommen – finanziell gesehen sei das zwar meistens einträglich, aber es bedeute, morgens um vier Uhr am Checkpoint zu sein, damit man pünktlich um 7.30 Uhr bei der Arbeit in Jerusalem ankommt. Für die knapp 20 Kilometer brauchte man früher, ohne Straßensperren, Mauer und Checkpoint, nur eine halbe Stunde.
Um das Wegbleiben der Kunden vor Ort zu kompensieren, gehen immer mehr Betriebe dazu über, ihre teilweise sehr filigranen Kunstwerke zu exportieren – mit Hilfe der Johanniskirchengemeinde konnte so in den vergangenen Jahren auch auf dem Wittener Weihnachtsmarkt eine Olivenholz-Hütte realisiert werden.
In den ersten Jahren kam ein junger palästinensischer Christ an die Ruhr, um die neuesten Produkte seiner Landsleute vorzustellen. Besonders beliebt waren dabei stets fein gemaserte Schüsseln und natürlich Krippen. „Aber weil Olivenholz ,unkaputtbar‘ ist, hat jetzt fast jeder Wittener Haushalt eine Krippe aus Bethlehem“, benennt Julia Holtz nur halb im Spaß ein neues Absatzproblem. Die Lösung: Neue Ergänzungsfiguren und alternative Weihnachtsmärkte.
Nun ist nicht mit Igeln oder Kängurus an der Krippe zu rechnen – doch Hunde und Kamele wurden Ochs und Esel schon an die Seite gestellt. Unter www.bethlehemshop.de können Freunde der Hartholzfiguren neuerdings zeitunabhängig im Internet stöbern. Wer sich dagegen mit Augen und vor allem Händen von der Qualität der Ware überzeugen will, kann das in diesem Jahr auf dem Weihnachtsmarkt im Wildwald Voßwinkel – Julia Holtz und ihr Team sind am zweiten und dritten Adventswochenende jeweils zwischen zehn und 20 Uhr vor Ort.
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Auf der Suche nach neuen Holzwegen
Olivenholzschnitzer in Palästina suchen online neue Absatzmöglichkeiten, damit die Schnitztradition weiterlebt. Denn wegen der angespannten politischen Lage bleiben vor Ort die Kunden weg. Handwerker-Nachwuchs fehlt, weil viele Söhne auswandern
