Letzte Station unserer Sommerserie: In diesem Jahr konnte in Nordbrandenburg das erste Stück des neuen Brandenburgischen Klosterweges eingeweiht werden – dank der Initiative von Karl-Otto Winkler aus Himmelpfort.
Von Susanne Liedtke
Die Himmelpforter Fischer sind in diesem Sommer nicht zufrieden mit ihrem Fang: Es ist einfach zu heiß. Den Touristinnen und Touristen hingegen, die den Ort zwischen den drei Seen gern aufsuchen, sind die Temperaturen gerade recht. Ein attraktives Reiseziel ist Himmelpfort jedoch nicht nur wegen seiner Wasserstraßen und des Weihnachtspostamtes, sondern vor allem wegen der vielfältigen Zeichen seiner klösterlichen Vergangenheit. Eindrucksvoll steht die Klosterkirche mit freistehendem Glockenstuhl am Ufer des Haussees. Von ihrer einstigen Größe zeugen die efeuumrankten Backsteinbögen der angrenzenden Ruine. Sie markieren den Grundriss des 1299 von Markgraf Albrecht III. von Brandenburg gestifteten Tochterklosters von Lehnin. Eine kleine Gemeinschaft von etwa 15 Zisterziensermönchen lebte und arbeitete hier bis zur Reformation. Auf dem gut besuchten Gelände befindet sich auch das Weihnachtspostamt, wo jedes Jahr ab November etwa 300000 Wunschzettel beantwortet werden und im Sommer zahlreiche Kulturveranstaltungen stattfinden, sowie das einstige Brauhaus des Klosters, derzeit im Wiederaufbau, und ein wohltuend duftender Klosterkräutergarten. Seit diesem Jahr ist nun eine weitere Attraktion hinzugekommen. Am Himmelfahrtstag konnte das erste Teilstück eines Pilgerweges eröffnet werden, der künftig die ehemaligen Zisterzienserklöster Wanzka (Mecklenburg) mit den brandenburgischen Klöstern in Himmelpfort, Zehdenick und Lindow verbinden soll. Stundengebete, Lieder und geistliche Impulse in Anlehnung an klösterliche Traditionen begleiteten die allererste Pilgergruppe auf den sechs Kilometern vom Start an der Draisinen-Basisstation in Fürstenberg bis nach Himmelpfort. Sie bilden den ersten Abschnitt des Klosterweges. Dieser zweigt in Fürstenberg vom Pilgerweg Mecklenburgische Seenplatten ab, auf dem auch die 41 Kilometer vom Kloster Wanzka zurückgelegt werden können. Für Karl-Otto Winkler war dies ein ganz besonderer Festtag. Schon lange hatte ihn der Wunsch begleitet, das Erbe der Zisterzienser in Himmelpfort neu zu beleben. Seitdem er 1994 von Fürstenberg nach Himmelpfort zog, interessierte und engagierte er sich für den Erhalt des klösterlichen Ensembles – als Mitglied im Gemeindekirchenrat, in der Synode des Kirchenkreises Oberes Havelland und in deren Kommission für Baufragen. Doch erst mit der Vakanzverwaltung durch den Pfarrsprengel Lychen fand er 2012 im dortigen Pfarrer Gernot Fleischer den passenden Mitstreiter. Der Theologe hatte sich bereits während seines Studiums intensiv mit klösterlichen Traditionen beschäftigt und sich explizit um eine Pfarrstelle mit Klosterbezügen bemüht. 2013 fuhren beide als Vertreter der Kirchengemeinde Himmelpfort erstmals zum Jahrestag der Zisterziensererben nach Loccum bei Hannover. 2015 lud der Gemeindekirchenrat seinerseits Vertreter der Zisterzienserklöster aus den umliegenden Regionen nach Himmelpfort ein. „Wir wollten überlegen, wie wir gemeinsam das kulturelle und auch das geistliche Erbe, das uns die Zisterzienser hier in so kleinem Umkreis in so großer Vielfalt hinterlassen haben, pflegen und neu beleben können“, erklärt Karl-Otto Winkler. Bei diesen Gesprächen sei bald der Gedanke eines verbindenden Pilgerweges entstanden.
Alles im Blick behaltenKarl-Otto Winkler hat diese Treffen – und auch jede weitere Tagung – detailliert dokumentiert. Vom Ablaufprogramm über Quittungen und Reisebeschreibungen befindet sich das Material geordnet in einer gebundenen Mappe. Ebenso gründlich ging er die Planung für den Pilgerweg an, bis zu dessen Einweihung noch einmal vier Jahre vergehen sollten. „Ohne die Initiative und das Engagement von Herrn Winkler würde es diesen Weg nicht geben“, betont Pfarrer Gernot Fleischer.Als studierter Ingenieur für Bauwesen und langjährig in der Region tätiger Bauplaner hatte Karl-Otto Winkler bereits viele Kontakte zu den entsprechenden Verwaltungen der angrenzenden Städte. Dennoch türmten sich zu Beginn allerlei Fragen auf: Welche behördlichen Stellen müssen einbezogen werden? Wen fragt man, wenn vorhandene Wege oder der Wald als Pilgerweg genutzt werden sollen? Unterstützung bekam die Gemeinde glücklicherweise von der Nordkirche, die mit dem in der Nähe verlaufenden Mecklenburger-Seenplatten-Pilgerweg bereits Erfahrung gesammelt hatte. Als riesige Holzfigur steht der im Ort allgegenwärtige Weihnachtsmann neben Winklers Ingenieurbüro in der Fürstenberger Straße. Auch mit 75 Jahren ist Karl-Otto Winkler dort noch täglich anzutreffen. Der von ihm mitinitiierte Pilgerweg führt direkt an seinem Bürofenster vorbei. Das rotbraune Emblem mit der stilisierten Muschel weist den Pilgern den Weg zur nur wenige hundert Meter entfernten Klosterkirche. Bezüge zu alten Jakobswegen hat der Brandenburger Klosterweg keine. „Wir wollen vorrangig eine Verbindung zwischen den Klöstern herstellen und mit dem Pilgerweg einladen, sich auf die Spuren des geistlichen und kulturellen Erbes dieses einst so prägenden christlichen Ordens zu machen“, erklärt Karl-Otto Winkler. Im Nordosten Deutschlands gab es im Spätmittelalter eine große Anzahl von Klöstern des Zisterzienserordens. Die meisten von ihnen wurden nach der Reformation geschlossen. Nur wenige blieben in neuer Form bestehen, etwa als Damenstift. Die meisten Klosterkirchen wurden zu Pfarrkirchen. So auch in Himmelpfort. Knapp 100 Mitglieder gehören der örtlichen Kirchengemeinde an, vier davon bilden den Gemeindekirchenrat. Jeden Samstagabend um 18 Uhr werden die Glocken der Klosterkirche geläutet – von Hand. Dann zündet ein GKR-Mitglied die Kerzen an und hält eine Abendandacht.
Den spirituellen Schatz heben„Als evangelische Kirche sind uns viele Wege zur Spiritualität verloren gegangen, die in unserer christlichen Tradition vorhanden waren“, betont Pfarrer Gernot Fleischer. „Heute suchen Menschen wieder danach und wir können gemeinsam diesen Schatz heben, der sich in unserem Glauben verbirgt. Das klösterliche Erbe kann dieser Sehnsucht eine neue Heimat geben – im Geist der lutherischen Reformation“, so beschreibt der Pfarrer sein großes Anliegen. Doch es gibt noch viel zu tun. Im kommenden Jahr soll das zweite Teilstück des Weges – 30 Kilometer von Himmelpfort bis Zehdenick – eingeweiht werden. Während die erste Etappe hauptsächlich auf befestigten Wegen durch Kiefernwälder führt, wird es im weiteren Verlauf auf Wanderwegen durch hügelige Wiesenlandschaft gehen – oft mit Seen oder der Havel im Blick. Die Strecken sind bereits mit dem Rad abgefahren, die Beschilderung geplant und genehmigt. Nun geht es auf die Suche nach möglichen Pilgerunterkünften. Abgesehen davon hat Karl-Otto Winkler jedoch auch sonst eine ganze Menge vor: Die Bürgerstiftung von Himmelpfort, in deren Vorstand er tätig ist, hatte den Wiederaufbau des Brauhauses, das 2010 abbrannte, organisiert. Und für den Kräutergarten muss ein tragendes Konzept gesucht werden. Was ihn jung hält? Neben der Arbeit als Gutachter und seinem Hobby Radfahren ist es vor allem seine Maxime: „Offen sein für Neues, Interesse haben und auf Menschen zugehen.“