„We are family“ (Wir sind Familie) war der Titel des Seminars für Ein-Eltern-Familien, das das Frauenreferat der Evangelischen Kirche von Westfalen zusammen mit dem Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) vom 2. bis 4. September erstmals angeboten hat. Während für die Erwachsenen die Vernetzung im Mittelpunkt des Wochenendes stand, war für die Kinder das Reitprogramm des Ponyhofs Hilbeck der Höhepunkt. Nicole Richter, Fachbereichsleiterin des landeskirchlichen Frauenreferats im Institut für Kirche und Gesellschaft, sprach mit Elena Fronk vom VAMV-Landesverband NRW über die politischen Anliegen des Verbandes:
Seitdem Luise Schöffel den VAMV als „Verband lediger Mütter“ gegründet hat, ist einige Zeit vergangen. In diesem Jahr hat der Landesverband Alleinerziehender Mütter und Väter e.V. seinen 40. Geburtstag gefeiert. Was sind heute Ihre Themen?
Unser Hauptanliegen ist es, wie damals, Alleinerziehenden in NRW eine Stimme zu geben. Wir setzen uns auf verschiedenen Ebenen dafür ein, dass Einelternfamilien gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Was braucht es dazu?
Wir brauchen vor allem alltagstaugliche Gesetze, die auch wirklich der Lebenssituation der Kinder gerecht werden. Denn mittlerweile wachsen 2,3 Millionen Kinder in Deutschland in einer Ein-Eltern-Familie auf. Die im Juli 2016 erschienene, überarbeitete Bertelsmann-Studie „Alleinerziehende unter Druck“ zeigt, dass die Armut in Ein-Eltern-Familien weiterhin sehr hoch ist. Die Tendenz ist eher steigend, als sinkend. Das heißt für NRW, dass 50 Prozent der Alleinerziehenden von Hartz IV leben. Und das heißt auch, dass den Kindern ein Leben in Armut droht. Sie sind fünfmal häufiger gefährdet als Kinder in Paarhaushalten.
Was sind die Gründe?
Der Hauptgrund dafür sind die ausbleibenden Kindesunterhaltszahlungen. 50 Prozent bekommen gar keinen Kindesunterhalt, 25 Prozent nur sporadisch. Das ist auch der Grund dafür, dass viele Ein-Eltern-Familien nicht über die Armutsgrenze kommen, obwohl 61 Prozent der alleinerziehenden Mütter erwerbstätig ist. Hier ist politisches Handeln gefragt. Wir vom Landesverband bringen uns zum Beispiel durch Stellungnahmen und Kampagnen in die politische Diskussion ein. Aber wir unterstützen auch die Familienselbsthilfe durch die Arbeit in unseren Ortsverbänden. Dort können sich alleinerziehende Frauen und Männer treffen, austauschen, gegenseitig beraten oder einfach gemeinsam etwas unternehmen.
Was halten Sie von dem aktuellen Vorstoß der SPD, nichtzahlenden Unterhaltspflichtigen den Führerschein als Strafe zu entziehen? Ist das in Ihren Augen eine hilfreiche Lösung des Problems?
Säumigen Unterhaltspflichtigen den Führerschein wegzunehmen würde deutlich machen, dass es eine Straftat ist, Unterhalt nicht zu zahlen. Ich bezweifle aber, ob das Geld dann am Ende auf dem Konto der Ein-Eltern-Familie ankommt. Wirkungsvoller wäre es, den Unterhaltsvorschuss zu reformieren. Zurzeit ist es so, dass der Staat bei ausbleibenden Unterhaltszahlungen mit einem Unterhaltsvorschuss einspringt – solange das Kind noch nicht zwölf Jahre alt ist, und auch maximal nur für sechs Jahre. Statt Führerscheinentzug wäre eine Anhebung der Altersgrenze und die Ausdehnung der Bezugsdauer hilfreicher und würde vielen Kindern von Alleinerziehenden zugutekommen.
Woran liegt es denn, dass der eine Elternteil nicht zahlt?
Das ist unklar. Es sind vornehmlich ja die Männer/Väter, die nicht zahlen. Aber es gibt bisher keine Studie darüber, was die Ursachen dafür sind. Ob sie nicht zahlen können oder nicht zahlen wollen. Hier sollte die Politik dringend ansetzen. Denn erst wenn man die Ursachen kennt, kann man auf wirkungsvolle Lösungen hinarbeiten, damit mehr Kinder den Unterhalt bekommen, der ihnen zusteht.