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Arabisch-amerikanische Wähler frustriert über Kamala Harris

Kostet der Krieg in Gaza und im Libanon Kamala Harris den Sieg im umkämpften Bundesstaat Michigan und damit das Weiße Haus? Die arabisch-amerikanische Gemeinschaft hat den Demokraten in großer Zahl den Rücken gekehrt.

Sie galt als aufsteigender Star in der Partei. Mit nur 31 Jahren zog die aus einer palästinensischen Familie stammende Ruwa Romman als erste Muslimin in das Parlament des Südstaats Georgia ein. Der Krieg in Gaza stellt die Demokratin, wie sie sagt, vor “eine unmögliche Entscheidung”. Kamala Harris hat ihre Erwartungen an einen Kurswechsel nicht erfüllt, Donald Trump hält sie für geradezu gefährlich – in den USA und für ihre Familie im Nahen Osten.

Rommans Mutter stammt aus Hebron, ihr Vater aus dem Dorf Suba nahe Jerusalem. Sie selbst wuchs in Forsyth County auf, derselben Gegend wie die rechtsradikale Abgeordnete Marjorie Taylor Greene. Vor zwei Jahren gelang der Demokratin, die sich in der Öffentlichkeit mit Kopftuch zeigt, der historische Einzug ins Parlament von Georgia. Während des Gaza-Kriegs wurde Romman zu einer der Stimmen der nationalen “Uncomitted-Bewegung”, die Joe Biden bei den Vorwahlen wegen Gaza einen Denkzettel verpassen wollte. In Michigan stimmten mehr als 100.000 Menschen “Uncomitted”, also für keinen Kandidaten – mehr als genug, um den Ausgang knapper Wahlen am 5. November zu entscheiden.

Nach dem Rückzug Bidens sollte Romman für die Bewegung auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago mit einer versöhnlichen Rede helfen, die Partei hinter Vizepräsidentin Harris zusammenzubringen. Doch die Regie erlaubte den Auftritt nicht. Darin sieht Romman bis heute eine verpasste Chance. Dafür spricht auch das durchgesickerte Manuskript.

Sie fühle sich geehrt, heißt es in der nie gehaltenen Rede, “die erste Palästinenserin” zu sein, “die je auf einem Parteitag der Demokraten sprechen darf”. Danach beschreibt sie ihre Herkunft, lobt die breite Koalition der Demokraten, verspricht Unterstützung für Harris und fordert im Gegenzug “einen Waffenstillstand zu erreichen, das Töten von Palästinensern zu beenden, alle israelischen und palästinensischen Geiseln zu befreien und einen Weg zu kollektivem Frieden und Sicherheit zu finden”.

Bis heute versteht sie nicht, warum Harris die Chance nicht nutzte. Und Romman wartet bis heute vergeblich auf eine klare Positionierung der Kandidatin. Was sie selbst dem Vorwurf aussetzt, zu nachgiebig zu sein. Rückversicherungen von Emissären an die Gemeinschaft seien nicht genug, insistiert die junge Frau. “Ich habe schon in der Schule keine geheimen Freundschaften gemocht.”

Eine Woche vor den Wahlen findet sie sich wie viele arabischstämmige Amerikaner zwischen allen Stühlen wieder. “Die Menschen sehen seit einem Jahr die Bilder der Zerstörung in Gaza durch den Einsatz amerikanischer Bomben”, beschreibt Romman die Lage. “Da spielt die Parteizugehörigkeit keine Rolle.” Es sei schwer für die Menschen, jemanden zu wählen, den sie für das Elend ihrer Verwandten mitverantwortlich machen.

Im wichtigen Swing State Michigan könnte das Harris den Wahlsieg kosten. Dort leben laut Arab American Institute fast 400.000 arabischstämmige Amerikaner. Eine aktuelle Erhebung des Instituts zeigt Harris und Trump bei arabisch-amerikanischen Wählern Kopf an Kopf – ein dramatischer Einbruch gegenüber Bidens Unterstützung von 59 Prozent im Jahr 2020.

Der Bürgermeister der mehrheitlich muslimischen Industriestadt Hamtramck, Amer Ghalib, hat bereits Trump unterstützt. Während der prominente libanesischstämmige Politiker Nasser Beydoun aus Dearborn zu der Grünen Jill Stein neigt. “Harris tut nichts, außer ein paar nette Zeilen in Reden zu sprechen”, kritisiert der Geschäftsmann, der bei den Vorwahlen der Demokraten erfolglos für die Nominierung als Senatskandidat angetreten war.

“Die Leute wissen nicht, wohin”, bestätigt Osama Siblani, Herausgeber einer arabisch-amerikanischen Zeitung in Dearborn, dem Politikportal Politico die angespannte Stimmung. “Sie sind völlig zerrissen. Manche werden Trump wählen, nur um Biden und Harris zu bestrafen.”

Das wird Romman nicht tun. Nach langem Ringen hat sie sich entschieden, Harris zu wählen. “Diese Stimme ist nicht für sie, sondern für die Menschen in meinem Bezirk, die keine weitere Trump-Präsidentschaft überleben können”, erklärt sie. Gleichzeitig sei es das Versprechen nach einer Wahl von Harris ins Weiße Haus, “nicht nachzugeben, ein Ende des Massensterbens und der Gewalt zu fordern”.