Er nannte sich nach dem geschundenen Schimmel Falada aus dem Grimm-Märchen, dessen abgeschlagenes Haupt die Wahrheit spricht. Romane wie „Kleiner Mann – was nun?“ und „Jeder stirbt für sich allein“ machten Hans Fallada (1893-1947) berühmt.
Vor 125 Jahren, am 21. Juli 1893, kommt er als Rudolf Ditzen in Greifswald zur Welt und wächst nach dem Umzug der Familie in Berlin und Leipzig auf. Dort unternimmt Fallada noch während der Schulzeit mit einem Freund einen als „Duell“ getarnten Doppelsuizidversuch. Der Freund stirbt, Fallada überlebt schwer verletzt.
Ohne Schulabschluss kommt er für zwei Jahre in eine Nervenheilanstalt. 1914 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger, wird aber wegen seiner Alkohol- und Morphiumsucht für untauglich befunden. Bis 1919 ist er immer wieder in Entzugskliniken, eine dauerhafte Heilung erreicht er aber nicht.
Er beginnt zu schreiben. 1920 veröffentlicht er erste Romane und arbeitet als Lokalredakteur im schleswig-holsteinischen Neumünster, bis ihn 1930 der Berliner Rowohlt-Verlag anstellt. Mit dem Kleinstadt- und Landvolkroman „Bauern, Bonzen und Bomben“ stellt sich 1931 auch der Erfolg ein. „Kleiner Mann – was nun?“ aus dem Jahr 1932, die Geschichte eines Ehepaares in der Weltwirtschaftskrise, kommt auf 45 Auflagen und 20 Auslandsausgaben. In Amerika verdrängt er „Vom Winde verweht“ von Platz eins der Bestsellerliste.
Fallada habe es verstanden, die Probleme der kleinen Leute literarisch zu thematisieren, sagt Stefan Knüppel, Leiter des Fallada-Museums im mecklenburgischen Carwitz. Weil sich diese Probleme in vielen Bereichen bis heute nicht geändert hätten, werde er immer noch gern gelesen: „Die Menschen können sich identifizieren.“ Die Beschreibung und Kritik gesellschaftlicher Zustände sei zwar immer auch Teil seiner Romane. „Aber es sind keine politischen Lehrbücher.“
Mit Frau Anna und dem ersten Kind lebt der Autor bei Berlin, sein Erfolg ermöglicht es ihm 1933, ein Landgut im mecklenburgischen Carwitz zu kaufen. Vor dem geplanten Umzug nach Carwitz denunziert ihn ein Mieter seines Hauses wegen angeblich staatsfeindlicher Gespräche. Er kommt für elf Tage in Fürstenwalde in Haft.
Nach dem „Kleinen Mann“ schreibt er 1934 den Roman „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ über seine Jahre, die er während der Weimarer Republik wegen Unterschlagung im Gefängnis verbringen musste. Damit das Buch auch unter dem neuen Regime ein Erfolg wird, fügt er ein Vorwort hinzu, das er selbst „einen Knix“ vor den Nazis nennt und in dem er den laschen Strafvollzug der Weimarer Republik kritisiert. Sein Verleger schreibt ihm: „Ganz offen und ehrlich gesagt, scheint mir Ihre Fassung doch etwas zu entgegenkommend.“
Aber Fallada wollte im Land bleiben, in Carwitz. „Das waren keine idyllischen Jahre, aber seine produktivsten“, sagt Museumsleiter Knüppel. Für sein Schreiben sei alles dagewesen, auch die Frau, die ihm den Rücken freihielt. „Fallada war immer am stärksten, wenn er nicht allein war.“ In Windeseile schreibt er Buch auf Buch, zwischen 1933 und 1944 entstehen 18 Romane, für einige braucht er nur wenige Tage. Mit „Wolf unter Wölfen“ hat er noch mal großen Erfolg, der auch zwiespältig ist. Auch NS-Propaganda-Minister Goebbels lobt das Buch.
Doch jedem größeren Werk folgt ein Sanatoriums-Aufenthalt. Schlaflosigkeit und Morphium-Abhängigkeit begleiten den selbstzerstörerischen Schaffensprozess seiner Werke. 1944 wird seine erste Ehe geschieden, nachdem er seine Frau mit einer Pistole bedroht hat. Er wird vorübergehend in die Landesanstalt Strelitz eingewiesen. Dort lernt er die ebenfalls suchtkranke, fast 30 Jahre jüngere Ursula Losch kennen. Im Februar 1945 heiraten beide.
Seine letzten Lebensjahre verbringt Fallada häufig schwer krank in Berliner Krankenhäusern. Am 5. Februar 1947 stirbt er an Herzschwäche in Berlin. Kurz zuvor vollendet er den 1949 erschienenen Roman „Jeder stirbt für sich allein“ über die authentische Geschichte eines Arbeiter-Ehepaars in Berlin, das im Kampf gegen das Hitler-Regime sein Leben lassen muss. Mehr als fünf Jahrzehnte nach Falladas Tod avanciert das Werk zum internationalen Bestseller. 2011 erscheint es in Deutschland erstmals ungekürzt, 2016 kommt eine neue Verfilmung mit Emma Thompson und Daniel Brühl in die Kinos.
Hans Fallada habe sich „auf jenen Nachtseiten menschlicher Existenz bewegt, für die er auch als Erzähler eine nicht zu unterdrückende Vorliebe“ hatte, schrieb einmal ein Kritiker. Doch das tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch.
Etliche seiner Werke wurden verfilmt, so 1958 „Der eiserne Gustav“ mit Heinz Rühmann, 1964 „Wolf unter Wölfen“ mit Armin Mueller-Stahl und 1995 „Der Trinker“ mit Harald Juhnke.
Auch auf deutsche Bühnen kehrt Fallada zurück. Neu entdeckte Manuskripte wecken darüber hinaus das Interesse an dem Schriftsteller. Manche würden von einer „Fallada-Renaissance“ in den vergangenen Jahren sprechen, sagt Stefan Knüppel, aber das stimme nicht. „Fallada war nie vergessen, in beiden deutschen Staaten nicht.“
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Anwalt der Gescheiterten
Sein Leben war voller Rückschläge, er glich seinen lädierten und häufig glücklosen literarischen Figuren. Doch auch Jahrzehnte nach seinem Tod sind die Romane von Hans Fallada weltweit beliebt. Vor 125 Jahren wurde er geboren
