Ratzeburg / Berlin. Pastorin Anne Gidion aus der Nordkirche vertritt künftig die Interessen der EKD gegenüber der Politik in Berlin und Brüssel. Wie die EKD in Hannover mitteilt, hat der Rat die 51-Jährige in das Amt der Bevollmächtigten bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union berufen. Gidion leitet derzeit das Pastoralkolleg der Nordkirche. In ihr neues Amt soll sie am 21. Oktober eingeführt werden.
Die Theologin tritt die Nachfolge von Martin Dutzmann an, der Ende Juni in den Ruhestand verabschiedet wurde. Gidion ist die erste Frau, die für die EKD gegenüber Regierung und Parlament die Anliegen der Kirche vertritt. Zugleich fungiert sie als Seelsorgerin insbesondere für evangelische Abgeordnete, Minister und Ministerinnen.
Klare ethische Stimme
Die evangelische Kirche werde als klare ethische Stimme und als geistliches Angebot dringend weiter gebraucht, erklärte Gidion anlässlich ihrer Berufung. Zugleich äußerte sie die Überzeugung, dass sich die Kirche gesamtgesellschaftlich neu positionieren müsse. Die beiden großen Kirchen verlieren seit Jahren Mitglieder. Der evangelischen Kirche gehörten Ende 2021 rund 19,7 Millionen Deutsche an.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus bezeichnete Gidion als „profilierte Theologin, die für das neue Amt neben ihrer pastoralen Kompetenz vielfältige Erfahrungen im politischen Berlin mitbringt“. Gidion studierte nach EKD-Angaben Theologie und Kunstgeschichte in Marburg, Durham (Großbritannien), Heidelberg und Wuppertal. Von 1999 bis 2001 war sie bereits Referentin im Bevollmächtigten-Büro, das sie künftig leitet.
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Anschließend war sie im Bundespräsidialamt während der Amtszeit von Johannes Rau zuständige Referentin für die Kontakte zu Kirchen und Religionsgemeinschaften. Das Pastoralkolleg in Ratzeburg – eine Fortbildungseinrichtung für Pastorinnen und Pastoren – leitet Gidion seit 2017. Verbunden ist sie auch dem Deutschen Evangelischen Kirchentag. Ende der 90er Jahre arbeitete sie dort als Referentin, bis 2013 gehörte sie dem Präsidium an.
Das Berliner Büro verfasst unter anderem Stellungnahmen zu Gesetzen, bei denen die Kirche vom Gesetzgeber angefragt wird oder sie eine Mitsprachemöglichkeit einfordert. Dazu zählen etwa Vorhaben in der Sozial- und Asylgesetzgebung oder bei medizin-ethischen Themen. Die Bevollmächtigte vertritt außerdem gegenüber der Politik die eigenen Interessen der Kirche, wenn es etwa um finanzielle Zuwendungen oder den Schutz religiöser Belange geht.
Gemeinsame Gottesdienste
Der Amtssitz der Bevollmächtigten in der Bundeshauptstadt ist am Berliner Gendarmenmarkt, wo die Bevollmächtigte die Friedrichstadtkirche für Gottesdienste und Veranstaltungen nutzen kann. Zu besonderen Ereignissen, etwa der Konstituierung des Bundestags, gestalten evangelisches und katholisches Büro in Berlin gemeinsame Gottesdienste.
Eingeführt nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Amt des Bevollmächtigten wurde von der EKD 1949 eingerichtet. Sechs Theologen übten das Amt seitdem in Bonn, später in Berlin aus. Gidion ist die siebte Bevollmächtigte der EKD. 1990 wurde vor dem Hintergrund zunehmender Bedeutung der EU das Brüsseler EKD-Büro eingerichtet. Auch in der DDR hatte die EKD ab 1949 zunächst noch einen Bevollmächtigten. Seine Tätigkeit endete 1958, nachdem das SED-Regime ihm das Agreement entzogen hatte. (epd)