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„Analoge“ Begegnungen werden kostbarer

Computertechniken sind nicht mehr wegzudenken aus der Gesellschaft. Wie die Digitalisierung gestaltet werden kann, war Thema einer Begegnung von Kirche und Politik

SCHWERTE – Vertreter von Wissenschaft, Politik und Kirche haben dazu aufgerufen, die Digitalisierung zum Wohl der Gesellschaft aktiv zu gestalten. Die Macht der Algorithmen dürfe nicht „den Konzernen und Programmierern“ überlassen werden, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, in Schwerte. Der Experte Klaus-Peter Jansen vom Technologie-Netzwerk „it's OWL“ warnte davor, die Digitalisierung der Arbeitswelt allein den Marktmächten anzuvertrauen.
Die Digitalisierung verändere nicht nur Geräte, sondern auch die Menschen und die Gesellschaft, sagte Kurschus auf der diesjährigen Politikertagung der westfälischen Kirche zum Thema Digitalisierung. Es müsse auch künftig darum gehen, gesellschaftliche Solidarität zu leben und zu gewährleisten. Immer kostbarer werde angesichts der wachsenden digitalen Kommunikation die „analoge Begegnung“ von Menschen, betonte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): „Das gute alte Gespräch, die Verlässlichkeit von Beziehungen, Blickkontakt und Händedruck, die Hand, die mich segnet: All dies gehört unabdingbar zum Menschsein und zum Glauben.“
An die Kirche appellierte Kurschus, um ihrer Botschaft willen das Internet und die Digitalisierung als Raum der Kommunikation anzunehmen. Das Netz sei für Christen auch ein Raum der Kommunikation des Evangeliums.
Klaus-Peter Jansen, Referent für Technologietransfer bei „it's OWL“, forderte Politik und Gesellschaft auf, die Digitalisierung in der Arbeitswelt öffentlich zu thematisieren. Es gebe viele Vorbehalte und Ängste, beispielsweise vor einem „digitalen Proletariat, das in einfachen Jobs knechtet und nur noch Maschinen überwacht“. Digitalisierung passiere nicht einfach, sondern müsse gestaltet und vermittelt werden. Jansen plädierte dafür, den Produktivitätszuwachs durch Digitalisierung zu nutzen, um gemeinnützige Arbeit aufzuwerten.
Die Kirche bezeichnete Jansen als einen Ort der Gemeinschaft und Wahrhaftigkeit, in der Menschen sich „ohne Filter und Fotoshop“ begegnen könnten. Ihre Aufgabe sei es, in der Informationsfülle der Digitalisierung „viele gute Botschaften“ zu verbreiten.
Die SPD-Politikerin Christina Kampmann betonte, dass Bildungsunterschiede in der Gesellschaft nicht zementiert werden dürften. Es gebe Verlierer der Digitalisierung, „aber wir müssen möglichst viele zu Gewinnern machen“, sagte die Landtagsabgeordnete. Sonst drohten Populisten noch mehr Zulauf zu erhalten. Für die nordrhein-westfälische Landesregierung nannte Wirtschaftsstaatsekretär Christoph Dammermann als Ziel, den Alltag der Bürger durch die Digitalisierung zu erleichtern. Dafür sollten digitale Angebote in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung ausgebaut werden.
Maximale Steuerungsmöglichkeiten forderte Christian Dopheide, Theologischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Hephata. „Als Mensch, dessen Daten gesammelt werden, wünsche ich mir, dass ich mir aussuchen kann, in wessen Hände ich meine Daten gebe“, sagte er. Die Begegnungstagung für Politiker und Mitglieder der westfälischen Kirchenleitung findet einmal im Jahr zu einem aktuellen Thema statt. epd/leg