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Afghane sitzt im Gästehaus fest: Leere Hoffnung auf deutsches Visum

Erst versprochen, jetzt vergessen: Seit Monaten warten tausende Afghanen in Pakistan auf ein Visum für Deutschland, das ihnen zugesagt wurde. Nun droht doch die Abschiebung. Über die Ängste einer betroffenen Familien.

Für die deutsche Unterstützung sei er immer noch sehr dankbar, sagt ein Afghane, der seit beinahe einem Jahr in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad auf ein Visum für Deutschland wartet. Seinen Namen oder andere Hinweise auf seine Identität sollen aus Sorge um seine Sicherheit nicht veröffentlicht werden. Und doch kann er seine Enttäuschung über Deutschland nicht verbergen.

Denn er ist einer von etwa 2.300 Afghanen, die seit Monaten in Pakistan festsitzen. Über das Bundesaufnahmeprogramm hatte die Bundesregierung nach der Machtübernahme der Taliban vor vier Jahren besonders gefährdeten Menschen eine Aufnahme versprochen. Wer etwa als Ortskraft für die Bundeswehr oder als Journalist gearbeitet hat, sollte in Deutschland Zuflucht finden.

Eigentlich war geplant, 1.000 Personen pro Monat aufzunehmen. Doch diese Zahl wurde nicht einmal ansatzweise erreicht. Nach der Bundestagswahl im Februar stoppte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) das Programm. Die bedrohten Menschen konnten keine neuen Anträge auf Aufnahme mehr stellen, laufende Fälle wurden nicht weiter bearbeitet.

Doch laut einem Gutachten der Hilfsorganisation Pro Asyl ist die Zusage, die Deutschland diesen 2.300 Menschen bereits gegeben hatte, verbindlich. Sie waren allesamt nach Pakistan ausgereist, um auf das finale Sicherheitsinterview in der deutschen Botschaft und ihr Visum für Deutschland zu warten. Die letzten Afghanen konnten im April nach Deutschland kommen. Der Rest wartet weiter. Unter ihnen sind laut der Organisation Reporter ohne Grenzen noch mindestens vier Medienschaffende mit ihren Familien.

Einer von ihnen wurde am Mittwoch von den pakistanischen Behörden verhaftet. Das berichtet sein Schwager, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dem Auswärtigen Amt sei es nicht gelungen, das Visum seines Schwagers für Pakistan zu verlängern. Die Polizei habe das Gästehaus, in dem der Journalist untergebracht war, am Mittwoch gestürmt und ihn und seine Familie mitsamt weiterer Afghanen, die Teil des Aufnahmeprogramms waren, verhaftet.

Auch seinen Namen will der Schwager nicht veröffentlicht sehen, aus Sorge um seine Familienangehörigen. Nach der Verhaftung seien die Afghanen in ein Camp gebracht worden, wo ihnen die Handys abgenommen worden seien. Seit Donnerstagmorgen habe er keine Nachricht mehr von seinem Schwager erhalten.

Von vergleichbaren Fällen wisse man, dass Personen aus den Camps kurz nach der Verhaftung abgeschoben worden sind. Nach KNA-Informationen sind inzwischen 35 Personen nach Afghanistan zurückgeschickt worden, 280 befinden sich weiter in Haft, darunter viele Frauen und Kinder.

Inzwischen gibt auch die Bundesregierung zu, dass es in dieser Woche Abschiebungen gegeben habe. Man stehe im Austausch mit den pakistanischen Behörden, um verhaftete Personen freizubekommen und Abgeschobene zurückzuholen, erklärte das Auswärtige Amt auf Anfrage. Bislang offenbar ohne Erfolg.

Für sein Engagement als Journalist und Frauenrechtler sei sein Schwager schon einmal von den Taliban verhaftet und im Gefängnis misshandelt worden, berichtet der in Deutschland lebende Familienangehörige. Seit April vergangenen Jahres warte der Journalist nun in Pakistan auf die Ausreise nach Deutschland. “Wenn er abgeschoben würde, gehe ich davon aus, dass wir nie wieder etwas von ihm hören”, sagt sein Schwager der KNA.

Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angabe nicht, ohne den Betroffenen in Gefahr zu bringen. Es spricht aber viel dafür, dass stimmt, was der Schwager des Journalisten berichtet. Alle Teilnehmer des Programms bekamen erst dann eine Zusage, nachdem sie ausführlich durchleuchtet wurden. Deutschland prüft, ob die Personen tatsächlich verfolgt wurden und dass es keine Sicherheitsbedenken gibt.

Das gilt auch für einen weiteren Betroffenen, mit dem die KNA sprechen konnte. Auch er kann nachvollziehbare Angaben machen, die nahelegen, dass er tatsächlich von den Taliban verfolgt wird. Auch er wurde von den deutschen Sicherheitsbehörden gründlich überprüft.

Doch auch er wartet seit beinahe einem Jahr in Islamabad – und macht sich immer mehr Sorgen, dass der Tag der Ausreise ins sichere Deutschland vielleicht nie kommen wird: “Wir werden bitter daran erinnert, dass wir überhaupt keine Freiheiten haben. Wir sind nicht einmal auf den wenigen Quadratmetern unseres Gästehauses sicher, in dem wir uns seit einem Jahr ununterbrochen aufgehalten haben.” Er sei enttäuscht, dass all das unter der Aufsicht der deutschen Botschaft und der deutschen Regierung geschehe, die ihnen Sicherheit versprochen hätten.

Und auch der Schwager des afghanischen Journalisten spricht von einem Armutszeugnis für die neue Bundesregierung: “Man darf die Menschen nicht im Stich lassen. Es geht hier doch nicht um illegale Migration. Die Menschen wurden intensiv überprüft. Legaler geht es gar nicht.” Von der Bundesregierung erwarte er mehr Einsatz für Menschenrechte und westliche Werte. Deutschland sei ein wunderbares Land, aber: “So kenne ich Deutschland nicht.”