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2.249 antisemitische Straftaten – “Große und mentale Belastung”

Wenn Taxis nicht mehr unter dem richtigen Namen reserviert werden: Antisemitismus bedeutet für Juden große Einschränkungen im Alltag. Darüber wurde jetzt in Berlin gesprochen.

Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober hat es in Deutschland bislang 2.249 antisemitisch motivierte Straftaten gegeben. Das sagte der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, am Donnerstag vor Journalisten in Berlin unter Berufung auf Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA). Hinter der Zahl stecke, dass Jüdinnen und Juden angegriffen oder in Angst versetzt worden seien. Ein “erheblicher Teil” dieser Delikte sei nicht etwa unmittelbar nach dem Terrorangriff geschehen, sondern in den Wochen und Monaten danach.

Es sei erschütternd, dass diese Zahl so wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit habe, kritisierte Klein. Er betonte, dass Solidarität mit Jüdinnen und Juden nicht saisonal sein und lediglich rund um Gedenktage wie jetzt am Samstag mit dem Tag des Gedenkens an die Opfer der Nationalsozialisten stattfinden dürfe. Auch wenn der 7. Oktober bereits ein paar Monate her sei, sei für Jüdinnen und Juden keine Normalität eingekehrt. Ohnehin seien sie nicht erst seit diesem Datum mit Antisemitismus konfrontiert gewesen.

Die BKA-Zahlen seien eine “große und mentale Belastung” für Jüdinnen und Juden, betonte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, auf demselben Termin. Er verwies darauf, dass Besuche von Gottesdiensten in Synagogen und von Veranstaltungen weniger geworden seien. Manche Termine seien ganz abgesagt worden. Die Folge: “Jüdisches Leben ist weniger sichtbar geworden.”

Klein erinnerte daran, welche Einschränkungen Antisemitismus für Jüdinnen und Juden im Alltag bedeute: Viele sprächen kein Hebräisch auf der Straße, entfernten die Schriftkapsel (Mesusa) vom Türpfosten oder änderten ihre Namen bei Taxireservierungen oder in Bestell-Apps. Er freue sich, dass in jüngster Zeit so viele Menschen an Protesten gegen Rechtsextremismus teilgenommen hätten. Allerdings seien dort auch in einigen Fällen Jüdinnen und Juden angegangen worden.

Schuster nannte es beunruhigend, dass sich die äußerste Rechte und die äußerste Linke beim Antisemitismus durchaus begegneten. Für Juden seien Rechtsextremisten insgesamt die größte Bedrohung, auch wenn sie derzeit zumeist mit Hass von islamistischen Antisemiten konfrontiert seien. Es sei ausschlaggebend in der Debatte um den 7. Oktober, dass Terror als solcher sowie Angegriffene und Angreifer klar benannt und Jüdinnen und Juden empathisch begegnet werde.

Am selben Tag startete der Zentralrat die Kampagne #StopRepeatingStories. Dabei wird den Angaben zufolge von antisemitisch motivierten Vorfällen in Deutschland berichtet, “die wie Zeitzeugenberichte aus dem ‘Dritten Reich’ erscheinen, in der Realität aber aus unserer heutigen Zeit stammen”. Es solle gezeigt werden, dass Antisemitismus kein Problem der Vergangenheit sei.

Klein mahnte, dass Gedenkstätten Planungs- und finanzielle Sicherheit für ihre Arbeit bräuchten. Insgesamt müsse jüdisches Leben als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft betrachtet werden. Institutionen, die Judenhass verbreiteten, müssten verboten werden. Er begrüßte die Imam-Ausbildung in Deutschland: “Diese Entsendepraxis muss aufhören.”