Peter Zwegat kämpfte gegen das Tabuthema Schulden und half vielen, ihre finanzielle Misere zu überwinden. Auch im echten Leben Schuldnerberater, war sein Auftreten geprägt von Ehrlichkeit, Empathie und Berliner Schnauze.
Er war das Gegenmodell zur “Super-Nanny”. Wem die Schulden über den Kopf wuchsen und wer gleichzeitig noch in den Kriterienkatalog der RTL-Produktionsfirma passte, konnte erleben, dass er plötzlich dastand: “Sie haben mich gerufen. Was kann ich für Sie tun?” war Peter Zwegats erster Satz. Natürlich war “Raus aus den Schulden” als privatfernsehtaugliche Sendung angelegt. Aber es ging nicht wie bei der “Super-Nanny” und ähnlichen Formaten darum, Menschen vorzuführen. Wie RTL am Montag bekannt gab, ist Peter Zwegat bereits am 9. August gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.
Zwegat wollte und konnte oft helfen. Seinen TV-Job hatte er auch im wirklichen Leben. Als Schuldnerberater war er seit 1987 beim gemeinnützigen Verein “Dienstleistung für Arbeitnehmer und Betriebe” in Berlin tätig, der bei Schulden und Insolvenzen weiterhilft. Seinen Schritt ins Fernsehen begründete er 2008 in einem Interview mit der taz so: “Schulden sind eines der letzten Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Viele Schuldner haben Angst davor, ausgegrenzt zu werden. Ich will den Zuschauern Mut machen, das Schweigen zu brechen, ihre Probleme anzugehen.”
Dass er dabei auch für sich selbst noch ein bisschen zu seinem damals nach eigenen Angaben übersichtlichen Gehalt von “1.500 bis 1.800 Euro netto” dazu verdiente, gab er unumwunden zu: “Das ist ja nicht verboten.”
Diese Ehrlichkeit vermittelte sich auch in der von 2007 bis 2015 auf RTL ausgestrahlten Sendung. Zwegat, der aus kleinen Verhältnissen stammte und 1960 mit seinen Eltern von Ost- nach Westberlin flüchtete, blieb auch als TV-Promi bei seinem eher bescheidenen Leisten – und seiner Berliner Schnauze: “Ich bin doch nicht bekloppt. Ich stehe jetzt für einen Zeitraum X im Rampenlicht. Aber irgendwann ist die Rampe zu Ende und das Licht wieder aus” – das ist echter Zwegat. Und so war er auch in der Sendung. Wer hier ein Problem hatte, musste sich “nackig machen”, nur so könne Schuldnerberatung funktionieren, war Zwegats Credo.
Studiert hatte er Sozialarbeit und war in der Berliner Jugendhilfe beschäftigt. Dann wurde er – so jedenfalls seine Version – aus dem Job gemobbt und ging im Anschluss zur Schuldnerberatung. 2005 begannen die Arbeiten am Projekt “Raus aus den Schulden”, das anfangs der bekannte TV-Journalist und Produzent Friedrich Küppersbusch mit seiner Produktionsfirma Pro Bono umsetzte.
Das Konzept war stets das gleiche: Zu Beginn der Sendung wurden Einnahmen und Ausgaben der betreffenden Person oder des Haushalts gegenübergestellt. Dann folgten Empfehlungen zu Einsparmöglichkeiten, die teilweise deutliche Veränderungen für die Betroffenen bedeuteten. Während die Kamera sie beim Umsetzen der Empfehlungen begleitete, versuchte Zwegat bei Banken und Gläubigern sein Glück und konnte oft auch hier Erleichterungen erreichen. Am Ende folgte erneut eine Abrechnung – oft mit einem positiven Ergebnis.
Wichtig war dabei immer, dass die Betroffenen mitmachten. Dass sich Zwegat selbst mit den Wechselfällen des Lebens auskannte, half ihm hier sichtlich. “Man muss einfühlsam sein. Manchmal bin ich ein bisschen Pfarrer, ein bisschen Psychologe. Manchmal auch einfach nur ein bisschen Mensch”, sagte er der taz. Auf seine Rolle als “Retter in der Not” war er auf eine völlig unpeinliche Art immer auch ein bisschen stolz.
Stolz war auch RTL, weil es mit “Raus aus den Schulden” ein Format hatte, dem man seinen Public-Value-Anspruch abnahm – und weil es etwas Vergleichbares bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht gab. Mehrfach war die Sendung für Preise wie den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis nominiert.
Zwegat hatte mit der Sendung auch ein politisches Anliegen. “Ich als Person repräsentiere so etwas wie den letzten Rest des Sozialstaats. Ich bin ein väterlicher Typ, den man fragen kann, wenn man Probleme hat. Der einem ordentlich den Kopf wäscht, der aber auch Hilfe anbietet. Das haben wir ja in vielen Bereichen sonst nicht mehr. Seit Jahren wird der Sozialstaat abgebaut”, kritisierte er schon vor rund 15 Jahren und forderte mehr öffentliches Geld für die Schuldnerberatung.
2015 endete die regelmäßige Ausstrahlung, es folgten Promi-Spezial-Ausgaben und wenige Gastauftritte in anderen Sendungen. Mehr und mehr zog sich Zwegat ins Privatleben zurück. 2019 gab es zum zehnjährigen Jubiläum nochmals eine Sondersendung, die aber bereits mehr als ein Jahr zuvor gedreht worden war. Hier wirkte Zwegat, der lange Zeit starker Raucher war, bereits krank.
Der taz hatte er 2008 mit Bedauern gesagt, im Fernsehen dürfe er nur ab und zu eine Zigarette rauchen: “Eigentlich bin ich Kettenraucher, und dazu stehe ich. Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen: Kommen Sie zu meiner Beerdigung, schmeißen Sie eine Schachtel Marlboro ins Grab”. Klare Worte zu finden gehörte eben zu Zwegats Job.