Von Christoph Butterwegge
Selten war die Bundesrepublik Deutschland politisch so zerrissen wie nach dem parlamentarischen Trauerspiel in Thüringen und dem ihm folgenden Rücktritt Annegret Kramp-Karrenbauers als CDU-Vorsitzende. Um diese sich gewissermaßen auf der parteipolitischen Vorderbühne abspielenden Ereignisse verstehen zu können, muss man die gesellschaftlichen Hintergründe der Zersplitterung des Parteiensystems, des Niedergangs der beiden „Volksparteien“ und der wachsenden „Politik-“ und „Politikerverdrossenheit“ ausleuchten. Außerdem die Abstiegsängste in der unteren Mittelschicht und die Erfolge des Rechtspopulismus.
Sozioökonomische Ungleichheit, von den meisten Deutschen hauptsächlich in Ländern wie den USA, Brasilien oder Südafrika verortet, nimmt seit geraumer Zeit auch in der Bundesrepublik deutlich zu, was sich besonders beim Vermögen zeigt. Beispielsweise besitzen 45 hyperreiche Familien genauso viel wie die ärmere Hälfte der hiesigen Bevölkerung, also über
40 Millionen Menschen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) festgestellt hat. Zwar sind die Einkommen der Bundesbürger weniger ungleich verteilt, driften aber ebenfalls zunehmend auseinander, was die Spaltung der Gesellschaft verstärkt. Die zunehmende Ungleichheit beschränkt sich aber nicht auf die asymmetrische Verteilung von Einkommen und privatem Vermögen, erstreckt sich vielmehr auf fast alle Lebensbereiche, etwa Bildung und Ausbildung, Gesundheit, Wohnen, Freizeit und Mobilität. (…)
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