Predigttext am 1. Sonntag im Advent: Römer 13, 8-12 (13-14)
8 Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. 9 Denn was da gesagt ist (2.Mose 20,13-17): „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren“, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3.Mose 19,18): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Leben im Licht des kommenden Tages 11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.
Der Advent lehrt uns das Zählen: 24 Türchen im Kalender – für jeden Tag eines, vier Kerzen am Kranz aus Tannengrün – für jeden Sonntag eine, bis Weihnachten. Mit dem Zählen steigt auch die Erwartung, die Hoffnung darauf, dass etwas ganz Besonderes auf uns zukommt. Zu Recht.
Tage werden kürzer – die Dunkelheit nimmt zu
In den letzten Wochen des Kirchenjahres und im nun beginnenden Advent leben wir in einer Jahreszeit, die deutlich vom Schwinden des Lichtes geprägt ist. Die Tage werden immer kürzer, die Dunkelheit nimmt zu, erst nach der Wintersonnenwende wird es langsam wieder heller werden. In der Natur erleben wir äußerlich, was uns die Liturgie als innere Bewegung erleben lässt. Denn in diesen Wochen begegnen uns in den Gottesdiensten die großen Themen des Lebens: Wir gedenken unserer geliebten Toten, blicken prüfend auf unser eigenes Leben und schauen erwartungsvoll auf das Kommen des Gottesreiches. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.“
Bei diesen Worten stellen sich aber auch Fragen ein. Die Existenz der Nacht, der dunklen Erfahrungen im Leben, ist nicht zu übersehen. Jeder Blick in die Zeitung oder die Tagesschau zeigt überdeutlich: Es gibt viel Finsternis in unserer Welt. Und für manche Menschen ist gerade die dunkle Zeit des Jahres auch geprägt von belastenden Gedanken an die eigene Zukunft. Sorgen um die Familie, die Gesundheit, das Auskommen rauben uns in den Nächten den Schlaf und drohen, übermächtig zu werden. Da scheint der Tag sehr weit weg zu sein, die Dunkelheit nicht enden zu wollen. Kann man das überhaupt glauben: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen“?
Für die Christen in Rom schwingt in diesen Worten ein österlicher Klang mit. Paulus erinnert sie damit an ihre Taufe, an den entscheidenden Schritt in ihrem Leben, der sie zu Christus geführt hat, dem Licht der Welt. Im Taufgottesdienst hatten sie genau diese Worte gehört: „Die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf … Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen.“ Mit der Taufe hatten sie ihr altes Leben hinter sich gelassen und die Erfahrung gemacht, Kinder des Lichtes, Kinder Gottes zu sein. Diese Erkenntnis hatte ihr Leben grundlegend verändert, hatte Folgen gehabt für die Art und Weise, wie sie miteinander und mit sich selbst umgingen. Von jetzt an stand die Liebe im Mittelpunkt, die Liebe Gottes, aus der sie leben und die sie an andere weitergeben konnten.
Advent: Gottes heller Tag ist im Kommen
Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom, aber auch an die Gemeinde in Westfalen und Lippe. Er erinnert uns daran, dass die Taufe ein adventliches Geschehen ist: Gott kommt in unser Leben und macht die Nacht zum Tag, nicht nur zu Weihnachten. Dieses Kommen hat Folgen, denn wir werden nicht mehr bleiben, wie wir sind. Eine Folge, nicht eine Voraussetzung, dieses adventlich-österlichen Geschehens ist die Liebe, die unser Handeln prägen wird. Paulus ist überzeugt: Wer sich von Gott geliebt weiß, kann gar nicht mehr anders, als seine Nächsten zu lieben. Der weiß, was die Stunde geschlagen hat, und tut, was nötig ist, was der Liebe entspricht. Gelegenheit dazu bietet sich mehr als genug, Tag für Tag.
Der Advent lehrt uns das Zählen. Nicht nur Türchen am Kalender und Kerzen am Tannenkranz auf Weihnachten hin, sondern das Zählen darauf, dass die Finsternis nicht ewig dauert und Gottes heller Tag kommt, nein: dass er schon angebrochen ist. Der Tag, an dem die Liebe sich durchsetzt und es hell wird in den Häusern und Herzen.