Am 11. April 1945 endete für Elie Wiesel die finsterste Phase seines Lebens: Die US-Armee befreite das Konzentrationslager Buchenwald – und damit den damals 16-jährigen jüdischen Jungen. Für seinen Vater kam die Befreiung zu spät. „Der Tag, an dem er starb, war einer der dunkelsten Tage meines Lebens“, erinnert sich Elie Wiesel 65 Jahre später. Als er diese Worte in Buchenwald spricht, ist er längst ein weltbekannter Autor, der seit 1986 den Friedensnobelpreis trägt. In Begleitung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama ist Wiesel am 5. Juni 2009 auf den Ettersberg bei Weimar zurückgekehrt. Am 2. Juli starb der Mahner, Publizist und Hochschullehrer in Boston, in New York.
Die ganze Familie nach Auschwitz deportiert
Wiesel wird 1928 in Sighet im heutigen Rumänien geboren. Seine Familie ist fromm. Nach der Besetzung des Schtetls durch die deutsche Wehrmacht 1944 werden alle Juden deportiert. Mit seinen Eltern und drei Schwestern wird Wiesel nach Auschwitz gebracht. Seine Mutter und seine kleine Schwester werden sofort umgebracht. Zusammen mit seinem Vater wird Wiesel nach Buchenwald gebracht. Dort stirbt der Vater zwei Monate vor der Befreiung.
Nach Kriegsende geht Wiesel über Straßburg nach Paris und studiert an der Sorbonne. In der französischen Hauptstadt wird er Korrespondent für die israelische Zeitung „Yediot Aharonot“, für die er ab 1956 aus New York schreibt und von den Vereinten Nationen berichtet. Als Reporter beobachtet er den Eichmann-Prozess in Jerusalem, er reist zu den Unterdrückten in der Welt: zu den vietnamesischen Boatpeople und in das Südafrika der Apartheid.
Wiesels Lebensthema bleibt der Holocaust und der Überlebenskampf des jüdischen Volks. Seine Erlebnisse fließen in den autobiographischen Roman „Die Nacht“ ein, der 1958 in Frankreich und vier Jahre später in Deutschland erscheint. Das Buch endet, als der Protagonist „Elischa“ nach der KZ-Befreiung erstmals in den Spiegel blickt: „Aus dem Spiegel blickte mich ein Leichnam an. Sein Blick verlässt mich nicht mehr.“
Der Band, bis heute millionenfach gedruckt, legt den Grundstein für eine Trilogie. Der Kampf in Palästina und Israel, das jüdische Leben unter Stalin und der Sechstagekrieg im Nahen Osten sind weitere Sujets für das literarische Werk Wiesels, das 40 Bücher umfasst.
1963 siedelt Elie Wiesel vollständig in die USA über und nimmt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1972 wird er als Professor für jüdische Studien an das City College in New York berufen, 1976 wechselt er nach Boston. Häufig diskutiert er mit jungen Menschen über den Holocaust – immer davon getrieben, „den Stimmen zu lauschen, die aus der meinen schreien, bis ich von meinen Erinnerungen wieder Besitz ergriffen habe, um die Sprache der Menschen mit dem Schweigen der Toten zu vereinen“.