Vor der Bundestagswahl sehen die Deutschen großen Handlungsbedarf in der Gesundheitsversorgung und der Pflege. Die Parteien wollen Abhilfe schaffen – auf unterschiedliche Art und Weise.
Gesundheit und Pflege: Das ist aus Sicht der Deutschen der Politikbereich mit dem größten Handlungsbedarf nach der Bundestagswahl. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage für den AOK-Bundesverband – noch vor den Schwerpunkten innere Sicherheit oder Bildung. Zugleich sind laut Statistischem Bundesamt immer mehr Bürger in Gesundheitsberufen beschäftigt.
In der Branche ist die Stimmung schlecht. Vom Pflegeverband über die Kassen bis hin zu den Fachverbänden von Medizinern und Apothekern. Alle dringen auf rasche und umfassende Reformen. Der scheidende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte viel angestoßen und war nach der Corona-Ausnahmesituation mit mehr als 20 Gesetzesvorhaben an den Start gegangen.
Das jähe Aus der Ampelkoalition hat viele Projekte scheitern lassen – von der Apothekenreform bis hin zur Reform der Pflegeversicherung oder zu einer stärkeren Gewichtung der Prävention. Zwar einigte sich die Ampel auf den wahrhaft letzten Metern auf eine bessere Honorierung der Hausärzte durch Wegfall der Budget-Obergrenzen. Bei den Fachärzten bleibt es bei der Planwirtschaft.
Deutschland ist in der Gesundheit und Pflege ein “kranker Mann”. Die Bundesrepublik belegt bei den Gesundheitsausgaben im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz, aber bei der Versorgung nur Mittelmaß. Zudem sind die Kassen – Pflege- und Krankenkassen – leer. Insbesondere die Pflegeversicherung steht nach Ansicht zahlreicher Experten kurz vor dem finanziellen Kollaps.
Alle Parteien versprechen, dass sie gute und bezahlbare Gesundheit und Pflege für alle wollen. Die SPD wirbt etwa mit einer Termingarantie beim Arzt für gesetzlich Versicherte, der Begrenzung finanzieller Belastungen in der Pflege – maximal 1.000 Euro Eigenanteil bei der stationären Langzeitpflege – und einem Ende der Trennung von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung. Auch an die Notfallversorgung, Digitalisierung und Telemedizin will die SPD ran.
Die Union legt den Schwerpunkt auf die gesundheitliche Versorgung in der Fläche. Auch Frauen sollen als Gruppe stärker in den Blick genommen werden. Lange Wartezeiten beim Arzt sollen der Vergangenheit angehören. Zugleich will die Union in der Pflegeversicherung mit einer Mischung aus betrieblicher Vorsorge, Steuern und Eigenvorsorge für eine stabile Finanzierung sorgen. Auch soll die häusliche Pflege stärker gefördert und unbürokratischer werden. Bei der Ende November verabschiedeten Krankenhausreform will die Union gegensteuern.
Die Grünen sehen hier ebenfalls Änderungsbedarf, etwa bei der Beteiligung der privaten Kassen, obwohl sie als Teil der Ampel bereits am Entstehen der Krankenhausreform beteiligt waren. Ambulante und stationäre Versorgung will die Partei stärker verzahnen. Die Pflegeversicherung soll perspektivisch zu einer Bürgerversicherung werden. Bis dahin sollen private und gesetzliche Versicherung sich nach ihren Möglichkeiten stärker beteiligen. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will zur Finanzierung der Krankenkassen auch Einkünfte aus Kapitalanlagen heranziehen.
Die FDP will bei mehr Wahlfreiheit mehr Effizienz ins Gesundheitssystem bringen. Private und gesetzliche Krankenkassen sollen bleiben. Pflegekräfte aus dem Ausland sollen eine leichtere Anerkennung durchlaufen. Bei der Pflegeversicherung soll es weiter umlagefinanziert bleiben, aber ergänzt um eine kapitalgedeckte Komponente.
Das BSW verknüpft seine Forderung nach einem Ende aller Waffenlieferungen mit mehr freien Mitteln für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Das Ganze steht unter dem Motto: Schluss mit Renditejagd und Zwei-Klassen-Medizin. Den Zusatzbeitrag will das BSW abschaffen und eine Bürgerversicherung einführen. Auch setzt es sich für eine Pflegevollversicherung aus Steuermitteln ein.
Auch die Linke will weg von der Zweiteilung der Versicherungen. Alle sollen gesetzlich versichert sein und Beiträge zahlen – auf nahezu alle Einkommensarten, inklusive Kapitalerträge. Und die Pflegevollversicherung steht ebenfalls im Programm. Dazu will die Linke kommunale Versorgungszentren, ein vollständiges Aus für die Finanzierung nach Fallpauschalen in Kliniken und mehr Einrichtungen in öffentlicher Hand.
Die AfD will ebenfalls die Fallpauschalen abschaffen. Fachärzte sollen gestaffelte Rückvergütungen oder Bonuszahlungen für geleistete Behandlungen erhalten, und für Ärzte im ländlichen Raum sind Niederlassungshilfen angedacht. Häusliche Pflege soll besser honoriert werden. Zugleich soll Personal aus dem Ausland nur nach deutschen Standards eingestellt werden. “Es müssen vorrangig Studienplatzbewerber mit deutscher Staatsangehörigkeit für das Fach Medizin/Zahnmedizin ausgebildet werden”, fordert die Partei.