Wissenschaftler wollen die in Deutschland veröffentlichten Schriftarten digitalisieren und allgemein zugänglich machen. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für 30 Monate geförderte Projekt „Das typografische Erbe Deutschlands im Industriezeitalter“ solle die Schriftproben der vergangenen 200 Jahre digitalisieren, sagte die Mitarbeiterin Helene Schlicht von der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dazu würden die Schriftproben erfasst und mit Angaben verbunden wie dem Namen, Urheber, der Druckerei oder Gestaltungselementen. Die Zukunftsvision sei „ein digitales Portal für das typografische Kulturerbe Deutschlands“.
Das Projekt konzentriere sich auf Schriftproben ab 1820, weil zu der Zeit die Umstellung von Handpressen auf maschinelle Dampfpressen erfolgte, erklärte der Mainzer Buchwissenschaftler Nikolaus Weichselbaumer. Danach sei die Druckproduktion enorm gestiegen. Aus der Zeit der Handpressen vor 1820 seien um die 300 Schriftproben katalogisiert, danach mehr als 6.000.
Ab dem späten 19. Jahrhundert habe es einen gewaltigen Anstieg von Schriften mit einer ausgeprägten Ornamentik gegeben, erklärte Weichselbaumer. Unterschiedliche Stile hätten sich parallel entwickelt: Im Historismus der Rückgriff auf Formen früherer Jahrhunderte, im Jugendstil die floralen Motive und in der Klassischen Moderne die geometrischen Motive.
In den vergangenen 100 Jahren sei hingegen eine zunehmende Standardisierung der Hauptschriften und Verringerung der Varianten zu beobachten. Die Verbreitung des Computers und des Smartphones trage zur Vereinfachung von Schriftproben bei, ergänzte Schlicht. Die künstlerische Dimension wandere mehr in die Piktogramme aus. „Im Design drückt sich auch der Zeitgeist aus.“
Beteiligt sind an dem Projekt neben der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und Leipzig sowie der Universität Mainz auch die Staatsbibliothek sowie die Kunstbibliothek zu Berlin. Das Projekt soll zum kommenden Jahreswechsel starten.