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Wir sagen euch an den lieben Advent

Die Choräle der Advents- und Weihnachtszeit stecken voller biblischer Symbole

Vertraute Worte, hundertfach gehört – der Advent ist auch eine Zeit der besonderen Lieder. Aber worum geht es eigentlich, wenn wir vom Blümlein, dem Stern Jakobs oder der Königskrone singen? Eine kleine Einführung in die Bilder der Erwartung und Hoffnung.

Nacht
Nächtliche Dunkelheit ist ein weit verbreitetes Bild, um die Erfahrung menschlicher Angst und Verlorenheit zu beschreiben. Die biblische Wurzel dafür liegt in der Vorstellung, dass Gottes Nähe Licht bedeutet, Gottverlassenheit dagegen finster ist. Vor allem in den Psalmen finden sich viele Beispiele dafür, wie Menschen Nacht und Gottesferne zusammenbringen. Da ist einmal das bewusste Verlassen der Gemeinschaft mit Gott und den anderen Menschen, das die Frevler im Dunklen tappen lässt (Psalm 82,5). Zum anderen werden auch schicksalhaftes Leid und Todesnähe als Finsternis erlebt (Jesaja 8,22; Psalm 49,20). Der Prophet Jesaja beschreibt die Gottverlassenheit des Volkes als „Wandeln im Finstern“ und „Wohnen im finstern Lande“ (Jesaja 9,1).

Trotz all dieser Erfahrungen macht die Bibel immer wieder klar: Gott ist Herr auch über die Finsternis. Er hat beides geschaffen (Jesaja 45,7); sein ist der Tag und sein ist die Nacht (Psalm 74,16). Auch wenn das menschliche Leben durchs dunkle Tal geht, behütet und leitet er (Psalm 23).

Eine der ausdrucksstärksten Beschreibungen menschlicher Finsternis-Erfahrungen findet sich in dem Lied „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“ (eg 16) von Jochen Klepper. Klepper, der seine persönliche Finsternis in der Bedrohung für sich und seine Familie durch das Nazi-Regime erlebte, erzählt vom Weinen, von Angst und Pein in der Dunkelheit und von Nacht, die auf Menschenleid und -schuld fällt. Wie schon in den biblischen Texten bleibt es aber auch in seinem Lied nicht dabei – Gott will selbst im Finstern wohnen, und der Morgenstern kündet bereits vom Schwinden der Nacht.

Sterne
Sterne gehören zu den beliebtesten Adventssymbolen. Umso merkwürdiger ist es, dass der Stern weder in den biblischen Texten noch in den Gesangbuchliedern zur Advents- und Weihnachtszeit eine große Rolle spielt. Offenbar verlangt die Sehnsucht nach dem Ende von Nacht und Dunkelheit nach mehr als einem kleinen Lichtlein. Darum ist es in den Adventsliedern meistens gleich die Sonne, die mit ihrem hellen Schein die Finsternis vertreibt.

Auch hier finden sich die Wurzeln wieder im Alten Testament: Die Hilfe Gottes wird mit der Zeit des Morgens in Verbindung gebracht (Psalm 46,6; 143,8); das Volk in der Finsternis sieht Gottes Rettung als helles Licht (Jesaja 9,1). Im Lobgesang des Zacharias wird dieser Sonnenaufgang mit Jesus in Verbindung gebracht, der gekommen ist „durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe“ (Lukas 1,78).

In poetisch starken Worten beschreibt das etwa der Liederdichter Friedrich Spee in dem Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ : „O klare Sonn, du schöner Stern, dich wollten wir anschauen gern; o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein in Finsternis wir alle sein“ (eg 7, Str. 7). Als „rechte Freudensonn“ bezeichnet der Dichter des Liedes „Macht hoch die Tür“, Georg Weissel, den einziehenden König (eg 1, Str. 3). Und Martin Luther dichtet den hellen Schein in „Nun komm, der Heiden Heiland“ direkt der Krippe an: „Dein Krippen glänzt hell und klar, die Nacht gibt ein neu Licht dar. Dunkel muss nicht kommen drein, der Glaub bleibt immer im Schein“ (eg 4, Str. 4).

Die Hauptquelle für das adventliche Symbol des Sterns aber ist die Erzählung von den Weisen aus dem Morgenland, die von einem Stern bis zum Geburtsort Jesu geleitet werden (Matthäus 2,1-11). Von hier aus geriet der Stern auch in die Geschichte von Jesu Geburt (Lukas 2), in die er streng genommen gar nicht hineingehört: Eigentlich ist dort ganz unspezifisch von der „Klarheit des Herrn“ die Rede, die signalisiert, dass sich hier etwas Weltbewegendes abgespielt hat, etwas, das den Kosmos und die Geschichte veränderte.

In der jüdischen Messiaserwartung wurde der aufgehende Stern zum Symbol des endzeitlichen Heilskönigs – und die Sterne am Himmel zu Bildern für eine beginnende Hoffnung auf Auferweckung. Später wurde der „Stern Jakobs“ auf Christus umgedeutet, etwa von Paul Gerhardt in dem Weihnachtslied „Kommt und lasst uns Christus ehren“ (eg 29): „Jakobs Stern ist aufgegangen, stillt das sehnliche Verlangen.“

Aus dieser Tradition stammt auch der Vergleich Christi mit dem Morgenstern, den der Seher Johannes in seiner Offenbarung anwendet: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern“ (Offenbarung 22,16).

Königskrone
Krone und Zepter sind Symbole des Königs, die mit ihren wertvollen Materialien auf Pracht und Reichtum unterstreichen. In den Adventsliedern stehen sie allerdings im krassen Gegensatz zu dem, was man gemeinhin unter königlicher Macht versteht. „Sein Königskron heißt Heiligkeit, sein Zepter heißt Barmherzigkeit“, heißt es im Lied „Macht hoch die Tür“ (eg 1), in dem der Einzug des göttlichen Gesalbten beschrieben wird.

Der König, der hier kommt, ist zwar der Herr der Herrlichkeit; überzeugen aber will er nicht mit Gewalt, sondern mit Friedfertigkeit, Sanftmütigkeit und Heiligkeit. „Ja, er kommt, der Friedefürst“, jauchzt es denn auch in dem Choral „Tochter Zion, freue dich“ (eg 13). Beide Lieder beziehen sich auf einen Vers aus der Prophetie des Sacharja, der den König als „arm“ bezeichnet und ihm als Reittier kein Schlachtross, sondern einen Esel zugesteht: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel.“ (Sacharja 9,9).

Die Umdeutung des Königtums und damit auch seiner Symbole ist also keine Erfindung des Christentums; sie setzt schon in alttestamentlicher Zeit ein. Der ideale König ist nicht der, der sich mit Gewalt durchsetzt, sondern der, der gerecht, also im Sinne Gottes, regiert. Als Gottes Gesalbter – auf Hebräisch „Messias“ – steht er dafür ein, dass Gottes Recht sich ausbreitet.

In den Jahrhunderten nach dem Babylonischen Exil (597-539 v. Chr.) schillern die Vorstellungen des Königtums in Israel zwischen der Hoffnung auf die Wiedererrichtung eines eigenen Nationalstaates inklusive eigenem König und der Verlagerung dieser Hoffnung auf eine eschatologische Endzeit. Auch ältere Texte, wie die sogenannten Messias-Verheißungen des ersten Jesaja-Buchs, wurden in diesem Sinne umgedeutet: „Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande.“ (Jesaja 11,2-4)

Übrigens übernehmen nicht alle Adventslieder die Symbolik der königlichen Machtzeichen, auch nicht in ihrer umgedeuteten Variante. „Kein Zepter, keine Krone sucht er in dieser Welt“, heißt es in dem Lied „Nun jauchzet, all ihr Frommen“ – und nicht von ungefähr wird genau diese Form der Herrschaft den „Mächtigen auf Erden“ als Beispiel vorgestellt: Das Lied entstand 1640, mitten im Dreißigjährigen Krieg.

Blume
Ebenfalls auf einer Verheißung des Propheten Jesaja beruht ein Bild aus dem Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“:  „O Erd, herfür dies Blümlein bring, o Heiland, aus der Erden spring.“ (eg 7, Str. 3). Das „Blümlein“ ist dasselbe wie in dem Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“: „Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt“, heißt es dort (eg 30, Str. 2).

Die Prophezeiung, auf die sich beide Lieder beziehen, lautet „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.“ (Jesaja 11,1). Ähnlich wie beim Symbol der Königskrone wird hier auf die Friedensherrschaft eines Königs „aus Davids Stamm“ angespielt, von dem in besonderer Weise ein gerechtes Regieren erwartet wurde – sei es nun zeitlich oder ewiglich.

Die Evangelien betonen mehrfach, dass Jesus ein Nachkomme Davids war, etwa mit dem aufwendigen Stammbaum, den Matthäus seinem Evangelium voranstellt (Matthäus 1) oder mit der Geburt Jesu in Bethlehem, der Stadt Davids (Lukas 2). Diese Herkunft unterstrich den Anspruch auf den Messias-Titel, den die Jesus-Gläubigen zu ihrem Bekenntnis machten. Das jubelnde „Hosianna, Davids Sohn“ aus dem Lied „Tochter Zion“ nimmt darauf Bezug.