Jeder feiert Ostern. Irgendwie. Und wenn es nur die bunt gefärbten Eier sind, die man sich statt der normalen auf den Frühstückstisch packt. Ostern ist ein sinnenfreudiges Fest: Der Frühling bricht mit Macht herein. Zugvögel schnattern und trompeten am Himmel. Und wenn man die Krokusse im Schnee und die Tulpen in den Vasen sieht, geht einem das Herz auf. Und plötzlich fühlt man es: Das Leben kehrt zurück!
Das Leben kehrt zurück. Das ist auch die Botschaft des christlichen Glaubens. Gerade und vor allem zu Ostern: Jesus Christus ist auferstanden. Er hat den Tod überwunden. Und deshalb werden auch wir leben.
Denn O – das heißt auch: offenes Grab.
Was geschieht, wenn wir sterben? Das ist die Grundfrage des Glaubens. Warum man sich davor nicht drücken darf
Todesangst. Mein Leben lang hatte ich von Jesus Christus gehört, über ihn geschrieben, von ihm gesungen, ihn gepredigt. Und jetzt, da die Ärzte seit Monaten nicht sagen konnten, warum es mir schlecht und immer schlechter ging, bekam ich Angst. Einfach Angst. Dass alles bald vorbei sein könnte. Dass ich in ein tiefes Loch stürzen würde. In Finsternis und Einsamkeit. Oder Schlimmeres. Auferstehung? Ewiges Leben? Das alles drohte mir wegzubrechen. Denn der Tod war nicht mehr nur eine Vorstellung. Sondern er war da. Und er meinte mich.
Ich musste an eine Begegnung bei einer UK-Leserreise denken. Da hatte mir eine Leserin von ihrer schlimmsten Enttäuschung erzählt. Ihr Vater – Pfarrer, ein Fels in der Brandung, ein Vorbild im Glauben – verzagte im Angesicht des Todes. Auch ihm war die Angst zu groß geworden. Sie erstickte alles. Sollte das bei mir jetzt auch so sein? Als es darauf ankam? Wenn der Glaube sich bewahrheiten muss? Dann ist plötzlich alles kaputt? Eine Illusion? Wertlos?
Was ist unser Glaube wert, wenn wir nicht an die Auferstehung glauben? Nichts. Sagt der erste große Lehrer der Christenheit, der Apostel Paulus, im Korintherbrief. Generationen von Theologinnen und Theologen, Christinnen und Christen haben diese Frage seitdem immer wieder gedreht und gewendet, diskutiert und selbst durchlitten. Auch in Schmerz und angesichts des unmittelbar bevorstehenden Todes.
Wir wollen ja an die Auferstehung glauben. Natürlich! Diese Sehnsucht ist dem Menschen ins Herz gepflanzt. Ob nun die Mutter stirbt oder der geliebte Hund: Wie tröstlich ist die Vorstellung, dass es dahinten weitergeht. Hinterm Horizont. Hinter der Regenbogenbrücke. Wie auch immer die modernen Metaphern dafür lauten mögen.
Aber: Können wir es glauben?
Wohl nichts anderes widerspricht der menschlichen Erfahrung so sehr, wie die Vorstellung, dass ein Mensch aus dem Tod zurück ins Leben gelangt sein könnte. Das ist eine Zumutung. Da sträuben sich Kopf und Verstand. Wie soll das damals bei Jesus abgelaufen sein? Warum erzählen die Jünger so etwas? Und man sucht nach Erklärungen.
Die Skeptiker sagen: Alles nur Lüge. Eine Finte, um der Welt – und vielleicht noch mehr: sich selbst – etwas vorzugaukeln. Die Gläubigen – zumindest jene unter ihnen, die hart drauf sind – fordern: Das war so! Das musst du glauben, nicht verstehen! Und dann gibt es die vielen, die dazwischen vermitteln wollen: Auferstehung – ja, schon. Irgendwie. Aber nicht so wörtlich gemeint. Sondern … irgendwie anders.
Auch in diesem Jahr wird das wieder zu hören sein: Osterpredigten, die kunstvoll, metaphorisch, poetisch um das herumreden, worum es eigentlich geht; nämlich die Frage nach der Auferstehung. Dem Tod ist die Macht genommen. Ja. Die Sache Jesu geht weiter. Auch richtig. Das Leben, das letztlich siegt und triumphiert. Alles richtig. Aber: Was genau heißt das? Angesichts meines Todes?
Wenn die Kirche und ihre Vertreterinnen und Vertreter nicht Mut machen zum Glauben an die Auferstehung; wenn sie nicht in klaren und verständlichen Worten davon erzählen und sich dazu bekennen – wie wollen wir den Menschen denn sonst erklären, warum sie überhaupt noch zu Ostern in die Kirche gehen sollen? Wenn wir rhetorische Meisterkniffe bringen, und zum Beispiel aus der Zumutung, die die Botschaft von der Auferstehung an den Verstand darstellt, eine „Zu-MUT-ung“ machen; aber nicht klipp und klar sagen: Soll ich nun an ein Leben nach dem Tod glauben oder nicht? Dann drücken wir uns um eine ehrliche Antwort. Und die Leute spüren das sehr genau.
Denn darum geht es in der Kirche; das ist der Ursprung des christlichen Glaubens: Die Fragen nach dem Woher, Warum, Wohin. Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und ergibt das Ganze einen Sinn? Der Tod, der an die Tür klopft, das ist die Nagelprobe für alles. Hier muss sich entscheiden, was ein Leben trägt.
Damals rang ich mit der Angst vor dem Tod. Verlor den Mut des Glaubens, die Gewissheit. Immer wieder. Ich zweifelte, verzagte. Schimpfte mit Gott. Ich flehte. Ich klagte an. Ich stammelte. Aber ich sprach mit ihm. Wie Jesus am Kreuz: Vater, warum hast du mich verlassen? Im Rückblick kann ich staunen: Nie hatte ich einen stärkeren, intensiveren Kontakt zu meinem Herrgott, als in diesen Tagen der Verzweiflung. Gott hielt mich fest. Und darum konnte ich auch an ihm festhalten.
Darauf kommt es an. Wir halten daran fest: Christ ist erstanden. Er lebt. Und deshalb werden auch wir leben. Wir halten daran fest, weil es Hoffnung gibt. Im Leben. Und im Sterben. Wir halten daran fest, weil es uns von unseren Müttern und Vätern so erzählt worden ist. Wir halten daran fest, weil wir sehen und akzeptieren: Mit dem Verstand lassen sich die wirklich drängenden Fragen des Menschseins ohnehin nicht beantworten. Über die Begrenztheit menschlicher Logik, Erklärungen und Beweise hinaus glauben wir. Wir glauben weiter, als der Verstand uns jemals tragen könnte.
Wir werden auferstehen. Schon jetzt. Hier auf der Erde. In ein neues Leben. Aber auch und vor allem und noch viel mehr in der neuen, in der zukünftigen Welt.