In Deutschland sollen Milliarden Euro auf herrenlosen Konten liegen. Die Bundesregierung möchte mit dem Geld soziale Innovation fördern. Wie können Verbraucher ihr Geld vor dem Vergessen schützen?
Zwischen 1,8 und 4,2 Milliarden Euro sollen Schätzungen zufolge auf sogenannten nachrichtenlosen Konten in Deutschland liegen. Das geht aus einem Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hervor, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Konten gelten bisher als nachrichtenlos, wenn es darauf seit 30 Jahren keine Bewegungen mehr gibt und zudem keinen Kontakt der Bank zum Kontobesitzer. Das Geld fällt dann an die Bank, die es als Gewinn verbuchen und versteuern muss.
Eine gesetzliche Definition für nachrichtenlose Konten existiert allerdings nicht. Wie können Verbraucher sich davor schützen, dass ihr Geld in Vergessenheit gerät?
Dass es überhaupt soweit kommt, dass Menschen ein Konto, Anlage-Depots oder Sparverträge vergessen, hat nach Einschätzung des Gutachtens verschiedene Ursachen. Demnach zeigen Erfahrungen aus anderen Vergleichsländern, dass Multi-Banking bei verschiedenen Geldinstituten, Umzüge oder natürlich der Tod des Eigentümers das Vergessen begünstigen. Philipp Rehberg, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Niedersachsen, sagt: “Es gibt Verbraucher, bei denen nach 40 Jahren ein Sparvertrag wie aus dem Nichts auftaucht. Es kann schon passieren, dass man diese Anlage, ein Schließfach oder ähnliches vergisst.”
Um das zu verhindern, gibt es laut Rehberg keine Patentlösung. Der Experte rät allerdings dazu, eine Liste mit den eigenen Konten und Finanzanlagen anzulegen und diese mindestens einmal im Jahr zu prüfen und aktuell zu halten: “Ordnung ist das halbe Nicht-Vergessen.” Weiter empfiehlt er, das eigene Erbe testamentarisch zu regeln und beim Notar zu hinterlegen. “Dann ist es registriert und wird den Erben im Todesfall eröffnet.”
Wer Sorge hat, eigene Angehörige könnten den Überblick über ihr Vermögen verloren haben, kann diese nach Worten des Experten “mit Feingefühl” darauf ansprechen. “Über die Themen Tod und Pflegebedürftigkeit kann man auch das Thema Finanzen ansteuern.” Wenn man etwa über Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen spreche, könne man auch nachhören, ob der andere über die eigenen Finanzen Bescheid wisse. “Wenn es nötig ist, kann man demjenigen dann dabei helfen, sich einen Überblick zu verschaffen” – und etwa gemeinsam Unterlagen sichten.
Die bis zu 4,2 Milliarden Euro, die auf deutschen Konten derzeit herrenlos herumliegen, möchte die Bundesregierung übrigens nutzen, um soziale Innovationen zu finanzieren. Die Gelder sollen dafür in einem “Social Impact Fonds” gebündelt werden und rückzahlbar bleiben – falls doch noch ein Eigentümer mit berechtigtem Anspruch auftaucht. Allerdings: Das Gutachten ist bislang nur Diskussionsgrundlage, wie eine Sprecherin des Forschungsministeriums erklärt.
Darin heißt es auch, dass Konten ohne Bewegung und Kontakt schon nach zehn Jahren als nachrichtenlos gelten könnten. Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht das kritisch. “Je kürzer diese Frist ist, umso problematischer ist das Signal, das der Gesetzgeber an Kundinnen und Kunden sendet”, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, warnt sie, dass der Staat flächig auf bankverwahrte Werte seiner Bürgerinnen und Bürger zugreifen wolle.
Das Bundesforschungsministerium verweist darauf, dass noch nichts entschieden sei: “Die weiteren Umsetzungsschritte sowie die Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung sind in der Folge abzustimmen.” Nähere Aussagen zur konkreten Ausgestaltung des Vorhabens könnten daher noch nicht gemacht werden.