Neubrandenburg. Es war ein Suizid mit Ankündigung. Rund drei Wochen vor seinem Tod hatte Jonas am Telefon zu seinem Vater gesagt: "Papa, ich könnte mir vorstellen, dass ich mir das Leben nehme." Da war Jonas wegen seiner Depressionen bereits seit einiger Zeit in psychiatrischer Behandlung. "Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht", sagt sein Vater, ein evangelischer Pastor in Mecklenburg. "Aber ich dachte, er ist dort in guten Händen". Am zweiten Sonntag im Dezember, in diesem Jahr am 13. Dezember, ist der Weltgedenktag für verstorbene Kinder. Weltweit finden in diesen Tagen dazu Gottesdienste statt.
An einem Juni-Tag im vergangenen Jahr traf Jonas dann nicht wie verabredet zum Kaffeetrinken bei seiner Mutter ein. Der 34-Jährige hatte seine Suizid-Ankündigung wahr gemacht. Sein Vater erfuhr davon am Telefon. Zunächst habe er einfach nur funktioniert, erinnert er sich an die Situation vor anderthalb Jahren. Doch schnell habe er gemerkt, dass er erst einmal nicht arbeiten kann. Er könne nicht anderen seelsorgerlich beistehen, wo er selbst mehr Fragen als Antworten hatte.
Gedenken in der Adventszeit – ganz bewusst
Der Weltgedenktag für verstorbene Kinder wurde bewusst in die Adventszeit gelegt. "In den besonderen Tagen der Adventszeit, wenn das Jahr ausatmend sich dem Ende neigt, wird die Abwesenheit verstorbener Kinder oft schmerzlich bewusst", sagt die Neubrandenburger Krankenhausseelsorgerin Anke Leisner. Die Familie trauere um all die ungelebten Jahre, die ungelebten Träume, um den Verlust all dessen, was sie mit ihrem Kind verband. "Doch in unserer leistungsorientierten Gesellschaft ist die Trauer oft unerwünscht", sagt Leisner.
Der Pastor hat sich nach dem Tod seines Sohnes eine Auszeit genommen, um die Trauer und seine "Achterbahn der Gefühle" zuzulassen. Existenzielle Fragen beschäftigten ihn: War er, der nur in den ersten sechs Lebensjahren mit seiner Familie zusammen lebte, mit verantwortlich? "In der Pubertät war ich meinen Söhnen kein Gegenüber", sagt er nachdenklich. Aber was ihn, den Pastor, mit am meisten belastete: Sein Sohn hatte eine weltliche Beerdigung bekommen – ohne die christlichen Rituale, die dem Vater so wichtig waren. "Keiner hat ihn Gott übergeben. Mich quälte die Frage: Hat Jonas seinen Frieden?"