Es ist kalt an diesem Abend in Elze. Maisa Wadi-Schwarz wagt einen schnellen Blick durch die Glastür des Kirchengebäudes im Norden der Region Hannover. Dann geht sie zurück in den Gemeindesaal und rührt den Inhalt eines riesigen Suppentopfes um, der auf einer mobilen Kochplatte steht. Immer wieder öffnet sich die Tür und neue Gäste treten ein. Dann nimmt Wadi-Schwarz den Suppenlöffel und füllt einen weiteren tiefen Teller mit ihrer currygewürzten Kreation aus Kichererbsen, Kartoffeln, Pastinaken, Zwiebeln und Cashewkernen. Die 39-Jährige und ihr Mann Maik Schwarz, der Pastor der evangelischen Kirchengemeinde von Elze-Bennemühlen, haben den wöchentlichen Treff im September ins Leben gerufen – und bis zu 20 Personen kommen jede Woche.
Aufwärmen und Gemeinschaft haben – das ist die Idee des gemeinsamen Freitagabends in Elze. Er firmiert unter der Überschrift „Wärmewinter“, die Kirchen bundesweit für Aktivitäten nutzen, die in der massiven Preissteigerung und Unsicherheit Hilfe und Halt geben sollen. „Die enorme Teuerung und viele weitere Sorgen machen es absolut zwingend und so wichtig, Menschen die Tür zu öffnen“, sagt der Theologe Schwarz. „Wir haben große Hoffnung, so Menschen zu erreichen, die wir vielleicht noch gar nicht kennen – und die konkrete Hilfe oder einfach jemanden zum Reden brauchen.“
Treffpunkte fehlten
Im Winter fehle ohnehin ein Treffpunkt in Elze, sagt Schwarz. Und so machen seine Frau und er kurzerhand den adventlich geschmückten Gemeindesaal dazu: An einem Tisch schneiden Kinder unter Anleitung Nadelholz-Zweige klein und basteln mit grünem Floristenschaum und Heißkleber Gestecke, zwei Tische weiter spielen der Pastor, zwei Jugendliche und ältere Gäste Karten. Überall wird geredet, gegessen, gelacht – der durchaus enge Raum vibriert förmlich.
Aktuell sprießen überall im Land Angebote wie der Elzer Treff aus dem Boden: In Oldenburg etwa treffen sich Menschen in zahlreichen Kirchengemeinden zum Reden, Spielen und Teetrinken. Man biete Wärme, heißt es auch dort. „Dabei ist durchaus beides gemeint, äußere wie innere Wärme“, sagt Kreisdiakoniepastorin Anja Krämer. Tee und allerlei Essbares gibt es auch in Hildesheim, Lüneburg und Osnabrück.
Der soziale Laden in Osnabrück-Lüstringen bietet – ebenfalls freitags – gar ein gemeinsames Puzzeln an, das Motiv ist dabei mit 1.000 Teilen durchaus ambitioniert. Die Kirchengemeinde St. Nicolai in Alfeld lädt sonntags nach dem Gottesdienst zu warmem Essen und Getränken ein. In St. Michaelis in Lüneburg konnten im November Wohnungslose und Menschen mit wenig Geld kostenlos Friseure und eine Tierarztpraxis nutzen und Second-Hand-Kleidung finden. Eine knappe Woche lang lud dort die „Vesperkirche“ zudem zu Begegnungen bei Konzerten und gemeinsamen Mahlzeiten ein. Die Bremische Kirche hat mit ihren Wärmestuben vor allem mittellose und einsame Menschen im Blick. Heizung, Personal, Material und Verpflegung zahlt die Kirche aus einem Fonds in Höhe von voraussichtlich 300.000 Euro.
Kirchen zahlen Pauschale wieder aus
So unterschiedlich die lokalen Angebote sind – die Finanzierung der Wärmewinter-Aktivitäten ist überall ein Ergebnis der sogenannten Energiepreispauschale des Bundes. Die im Herbst bundesweit gezahlte Pauschale hatte den Kirchen zusätzliche Millionen-Einnahmen ermöglicht, die diese nach eigenen Angaben an Bedürftige weitergeben. Fünf Millionen Euro etwa hat die Landeskirche Hannovers zusätzlich eingenommen. „Die Hälfte des Geldes ist bereits an die Kirchenkreise ausgezahlt worden“, sagt Sprecher Benjamin Simon-Hinkelmann. „Die andere Hälfte folgt Anfang 2023.“
Die Landeskirche Braunschweig hat 740.000 Euro eingenommen, in Oldenburg sind es 690.000 Euro – in beiden Fällen haben die Synoden im November die vollständige Verwendung des Geldes für karitative Zwecke vor Ort beschlossen. Das Diakonische Werk der Evangelisch-reformierten Kirche schließlich schüttet über einen Krisenfonds in diesem und dem nächsten Jahr jeweils 150.000 Euro aus, die Gemeinden beantragen können. „Wir möchten, dass dieser Winter für möglichst viele Menschen ein Wärmewinter wird“, sagt Diakoniepastor Thomas Fender.
Kennengelernt bei einer Suppe
Im Elzer Gemeindehaus sitzt Gisela Bethge an einem Fensterplatz, auch vor ihr steht ein Teller Suppe. Zum Essen kommt die Ehrenamtliche kaum – denn ihr gegenüber sitzen eine Frau mit Kopftuch, ihr Mann und zwei Kinder. Die Familie aus einer ehemaligen Sowjetrepublik ist erst seit wenigen Wochen in Deutschland, und Bethge, die ausgebildete Integrationslotsin ist, beantwortet geduldig und mit leiser Stimme die Fragen der Eltern. Die Beratung, etwa zu Anträgen, sei wichtig, sagt Bethge, die seit Jahren beim lokalen Flüchtlingskreis dabei ist. Das Angebot am Freitagabend gebe dieser Unterstützung einen Ort: „Letzte Woche war eine Frau aus Afghanistan hier. Die hat beim Suppenessen überhaupt erst ihre deutsche Nachbarin kennengelernt, die im Haus nebenan wohnt.“