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Wie der Konflikt zwischen Israel und Iran Lateinamerika spaltet

Rückendeckung für die Mullah-Regierung von links, Unterstützung für Israel von rechts: Lateinamerikas Haltung im Israel-Iran-Konflikt ist vor allem ideologisch geprägt.

In Havanna ruft der kommunistische Ein-Parteien-Staat zur öffentlichen Mobilisierung für den Iran auf. In Kolumbien nimmt der linksgerichtete Präsident Gustavo Petro die Regierung in Teheran gegen Vorwürfe in Schutz, sie wolle Atomwaffen produzieren. Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei lobt dagegen den US-Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen als Großtat des Westens.

Der Konflikt zwischen Israel und Iran lässt auch in Lateinamerika die Emotionen hochkommen. Das liegt vor allem an den historisch gewachsenen ideologischen Verbindungen der demokratischen und autokratischen Linken der Region zum Iran. Lateinamerikanische Guerillagruppen fühlen sich Palästina und dem Iran schon seit vielen Jahren verbunden – egal, wie fragwürdig die dortigen Verhältnisse auch sein mögen. Diese Verbundenheit besteht bis heute. Nicaraguas sandinistische Diktatur beauftragte etwa eigens ihren Botschafter im Iran, die Schäden der jüngsten Militärschläge zu begutachten.

Umgekehrt ist es auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Der wohl engste und treueste Verbündete Israels in der Region ist der argentinische Präsident Milei, der immer wieder mit seiner Nähe zum jüdischen Glauben kokettiert. In Argentinien spielen ebenfalls geschichtliche Zusammenhänge eine Rolle. Im konservativen und libertären Lager ist der Bombenanschlag von 1984 auf eine Zentrale der jüdischen Gemeinde in Buenos Aires unvergessen. Damals wurden 85 Menschen getötet. Die Hintergründe des Angriffs wurden nie vollständig geklärt.

Der ermittelnde Staatsanwalt Alberto Nisman warf 2015 der damals regierenden linken Präsidentin Cristina Kirchner vor, iranische Hintermänner des Anschlags wissentlich gedeckt zu haben, um ein lukratives Ölgeschäft mit dem Iran nicht zu gefährden. In der Nacht vor seiner geplanten Aussage vor dem Parlament wurde Nisman schließlich tot in einer Wohnung aufgefunden.

Sowohl rechte als auch linke Regierungen und Bewegungen haben in Sachen Nahost indes etwas gemeinsam: Sie haben Probleme, selbst offensichtliche Menschenrechtsverletzungen der jeweils eigenen “Verbündeten” zu kritisieren. So fällt es Brasiliens linkem Präsidenten Lula da Silva auffallend schwer, den Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 klar und deutlich zu verurteilen. Dagegen nennt er das Vorgehen Israels im Gazastreifen einen “Völkermord”. Den Angriff der USA auf die iranischen Atomanlagen verurteilt er ebenfalls unmissverständlich. Lulas Gegenspieler, der rechtspopulistische Ex-Präsident Jair Bolsonaro, vermeidet es hingegen, die israelischen Militäroperationen differenziert zu betrachten. Er entschied sich stattdessen für uneingeschränkte Loyalität zu Jerusalem.

Die USA wollen die lateinamerikanischen Länder nun zu einer klaren öffentlichen Positionierung drängen, wie Medien unter Berufung auf diplomatische Kreise berichten. Die Regierungen sollen sich demnach innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zum iranischen Atomprogramm äußern. Dabei dürfte es kaum Überraschungen geben: Länder wie Argentinien und Paraguay dürften die Sichtweise der USA teilen, die links regierten Staaten die Linie Washingtons ablehnen. Mexiko mit seiner linken Präsidentin Claudia Sheinbaum enthält sich bislang der Stimme, wohl auch um das ohnehin angespannte Verhältnis zum Nachbarn im Norden nicht zu gefährden.

Anfang Juli kommt es in Rio de Janeiro überdies zu einem Gipfeltreffen des Staatenbundes BRICS, zu dem etwa Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zählen. Dabei ist zu erwarten, dass Präsident Lula als Gastgeber seinen pro-russischen, pro-chinesischen und pro-iranischen Kurs weiter vorantreiben wird. Er will im Globalen Süden eine kritische Haltung zum Westen propagieren. Der US-Militärschlag gegen den Iran dürfte ihm in diesem Kontext eine willkommene Argumentationsgrundlage liefern.