Sabine Schiermeyer ist die neue Regionalbischöfin im Sprengel Ostfriesland-Ems. Wir haben mit ihr über die seelsorgerliche Seite ihrer leitenden Aufgabe gesprochen. Wie geht sie mit der Angst vor Veränderung um, wie spricht sie sich und anderen Mut zu?
Frau Schiermeyer, fühlen Sie sich schon als Regionalbischöfin?
Sabine Schiermeyer: Im Moment noch mehr als Superintendentin, deren Aufgaben ich gerade erst aus der Hand gegeben habe. Das neue Amt ist wie ein Mantel, der sich noch fremd anfühlt und erst eingetragen werden muss. Aber ich freue mich auf die neuen Aufgaben und die Menschen, denen ich nun begegnen werde. Zugleich bleibe ich ja Pastorin. Das heißt für mich, nah bei den Menschen zu sein, sie mit ihren Sorgen ernst zu nehmen und mich um sie zu kümmern.
Als Bischöfin haben Sie sich nicht nur um die Schafe zu kümmern, sondern auch um die Hirten. Was nehmen Sie da wahr?
Unter den Hauptamtlichen und den ehrenamtlich Leitenden nehme ich eine große Besorgnis um Kirche wahr. Für die Menschen um uns herum haben Gott und die Kirche eine immer geringere Bedeutung. Das schmerzt viele, auch mich schmerzt es. Aber Sorge und Schmerz dürfen nicht die Oberhand gewinnen. Sonst sind wir wie gelähmt.
Welche zusätzlichen Herausforderungen bringt die Missbrauchsstudie mit sich?
Menschen erwarten von uns, dass wir handeln, erst recht nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie, die mich erschüttert. Die Betroffenen haben großes Leid unter dem Dach der Kirche erfahren. Diese Kirche erkenne ich nicht als die meine und muss sie doch als meine annehmen. Große Schuld muss benannt werden. Es ist Buße zu tun, um Vergebung zu bitten. Und dann braucht es Umkehr und Veränderung, damit wir die sicheren Räume bieten, in denen Menschen Gottes großes Ja zu ihnen begreifen können. Und ich hoffe und bete, dass Gott uns Mut und Kraft zu diesem Weg gibt.
Personalgespräche kennen Sie schon aus der Zeit als Superintendentin. Wie ist den Krisen beizukommen?
Viele Mitarbeitende fragen sich, wie sie Kirche leben können, wenn sie immer kleiner wird. Viele sind auch müde: Sie arbeiten viel, spannen sich an bis an die Grenze ihrer Kräfte, aber es verändert scheinbar nichts. Die gelernten Arbeitsformen meiner Generation greifen zusehends nicht mehr, die Kolleginnen und Kollegen merken, dass sie sich verändern müssen, sind aber unsicher, in welche Richtung es gehen kann.
Wie gehen Sie damit um?
Ich sage: „Schaut, was bei euch funktioniert! Ihr dürft Strukturen neu denken und euch neu aufstellen!“ Wir dürfen uns von Dingen verabschieden, die nicht das Eigentliche von Kirche sind. Wir dürfen uns von Altem verabschieden, um Neuem Raum zu bieten, dürfen probieren und Fehler machen. Was ich nicht möchte, sind Depression und Verzweiflung. Das ist das Gegenteil unseres Auftrags.
Was brauchen die Menschen, um wieder nach vorne zu schauen?
Gottes Geist gibt uns Mut, seine Spuren zu suchen und nach vorne zu gehen. Dabei dürfen wir unterschiedliche Geschwindigkeiten haben. Das Tempo der Einzelnen anzuerkennen, gehört zu meiner Fürsorge. Aber ich möchte, dass sich alle auf den Weg machen.
Wenn alle besorgt sind, wie kann sich Mut dann ausbreiten?
Durch eine geistliche Dienstgemeinschaft, die sich wahrnimmt, annimmt und trägt. Die nach Gottes Spuren fragt und seiner Beweglichkeit nicht im Weg steht.
Wie sieht die mutige Kirche aus?
Einzelne Personen können prägen, begeistern und Menschen mitnehmen. Das kann uns ermutigen, unseren Dienst in unserer Kirche zu gestalten. Er wird Früchte tragen. Mutig ist für mich die Kirche, die eigene Schuld anerkennt und bereit ist, mit ganzem Einsatz und transparent dafür zu sorgen, dass Menschen sich in ihr sicher fühlen können.
Sind Sie selbst auch mutig?
Ich bin frohgemut. Trotz Krisen und furchtbaren Nachrichten glaube ich, dass Gott in der Welt ist. Ich fühle mich von ihm behütet.
Landesbischof Ralf Meister führt Sabine Schiermeyer am Sonntag, 11. Februar, um 14 Uhr in der Martin-Luther-Kirche Emden in das Amt der Regionalbischöfin ein. Bisher war die verheiratete Theologin und Mutter von drei Kindern Superintendentin in Stolzenau-Loccum.