Im Abwasser von Gaza sind Polio-Viren gefunden worden. Jetzt warnt die WHO trotz recht hoher Immunisierungsraten vor dem Risiko einer Ausbreitung des Virus, das weltweit seit Jahren auf dem Rückzug ist und zu Kinderlähmung führen kann.
Im Gazastreifen und darüber hinaus besteht nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein hohes Risiko der Ausbreitung des Polio-Virus. Entsprechende Medienberichte bestätigte der WHO-Beauftragte für Gesundheitsnotfälle in den besetzten palästinensischen Gebieten, Ayadil Saparbekov, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag in Jerusalem. Zu dem Risiko trage auch die katastrophale hygienische Situation in Gaza bei.
Vor Beginn des Gazakriegs am 7. Oktober betrug die Impfrate in den palästinensischen Gebieten nach Angaben der WHO 99 Prozent. Die Gebiete galten laut Saparbekov seit mindestens 25 Jahren als Polio-frei. In Zonen im Gazastreifen, die die Organisation evaluieren konnte, sei die Impfrate seit Kriegsbeginn auf unter 90 Prozent gesunken. Zahlreiche Gebiete seien jedoch nicht zugänglich, so der WHO-Vertreter gegenüber der KNA. Die Polio-Virus-Impfquoten in den Nachbarländern Israel und Ägypten lagen laut WHO 2022 bei 97 respektive 98 Prozent.
In den Abwässern des Gazastreifens waren laut WHO-Bericht Polio-Viren des Typs 2 gefunden worden. Die israelische Armee hatte daraufhin am Sonntag angekündigt, ihren Soldaten eine Impfung gegen das hochansteckende Virus zu empfehlen. Eine entsprechende Aktion wurde bereits begonnen. Die Armee kündigte ferner an, mit internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, um Impfstoffe für die palästinensische Bevölkerung in den Gazastreifen zu bringen.
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat nach eigenen Angaben im Dezember knapp eine Million Impfdosen zum Schutz vor Krankheiten wie Masern, Lungenentzündung und Polio in den Gazastreifen gebracht. Nach Angaben des Hilfswerks leben im Gazastreifen gegenwärtig rund 82.600 Kinder im Alter unter 12 Monaten, von denen rund 15.700 eine Polio-Impfung erhalten haben.
Auch Deutschland ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums seit knapp 30 Jahren poliofrei. Beim letzten großen Ausbruch der auch als Kinderlähmung bezeichneten Krankheit starben 1961 rund 300 Menschen. Der letzte registrierte Fall einer Polio-Übertragung stammt demnach von 1990.