Biologische Vielfalt sichert nicht nur die Lebensgrundlagen des Menschen, sondern trägt auch wesentlich zum Wohlstand bei. Beim Weltnaturgipfel in Kolumbien gab es nur kleine Fortschritte zum Erhalt der Biodiversität.
Zwei Schritte vor, einer zurück: Das berühmte Prinzip der Echternacher Springprozession gilt auch für viele internationale Konferenzen zum Klima- und Naturschutz. Auf die Euphorie, die beim Weltnaturschutzgipfel in Montreal 2022 entstanden war, folgte am Wochenende Enttäuschung. Ohne Einigung über eine weitere Finanzierung des Artenschutzes ging am Samstag die Weltnaturkonferenz COP16 in Kolumbien zu Ende.
2022 hatten sich in Montreal rund 200 Staaten unter anderem verpflichtet, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Im kolumbianischen Cali ging es jetzt um die konkrete Umsetzung – und die ist meistens kompliziert.
Die Naturschutzorganisation WWF sprach von einer Blamage. Das von Freitag auf Samstag verlängerte Treffen in der Stadt Cali sei abrupt unterbrochen worden, weil viele Delegierte abgereist waren. Keinen Beschluss gibt es deshalb über die Summe für den Erhalt der Artenvielfalt. Keine Einigung auch über den Mechanismus, über den das Geld fließen soll. Die Länder des globalen Südens forderten einen neuen Fonds für Biodiversität, bei dem sie mehr Mitspracherecht haben. Die Industriestaaten plädierten für einen bereits seit den 1990er Jahren bestehenden Fonds, der bei der Weltbank angesiedelt ist.
Der finanzielle Bedarf für den Erhalt der Biodiversität war in Montreal auf 700 Milliarden Dollar geschätzt worden. Es geht darum, dass die reichen Industrieländer, die schon viel von ihrer Natur zerstört haben, die ärmeren Länder dabei unterstützen, ihre noch intakten Ökosysteme zu erhalten. 20 Milliarden Dollar sollen die Industrieländer eigentlich ab 2025 jährlich an den globalen Süden zahlen.
Mehr als 20.000 Delegierte aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft hatten in den vergangenen zwei Wochen an den Verhandlungen teilgenommen. Deutlich werden sollte dabei, dass der Schutz der biologischen Vielfalt ebenso wichtig ist wie der Klimaschutz: Von den weltweit geschätzt acht Millionen Arten sind in den nächsten Jahrzehnten etwa eine Million vom Aussterben bedroht. “Wir zerstören, was uns am Leben hält”, sagte Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland, im Vorfeld der Konferenz. Gesundheit, Lebensmittelversorgung, Zugang zu sauberem Wasser, die Stabilität der Wirtschaft und erträgliche Temperaturen seien abhängig von intakten Ökosystemen. Zugleich hat der Artenschutz eine immense wirtschaftliche Bedeutung: Kosmetik- und Pharmaindustrie und der Agrarsektor verdienen Milliarden mit genetischen Informationen über Pflanzen und Tiere.
Hier gab es in Cali einen Lichtblick. Laut Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad verständigten sich die Delegierten darauf, dass die Pharma- und Kosmetikindustrie, die genetische Daten von Pflanzen und Tieren aus Entwicklungsländern etwa bei der Herstellung von Medikamenten oder Kosmetika nutzen, künftig 0,1 Prozent ihres Umsatzes oder ein Prozent ihres Gewinns in einen Fonds einzahlen sollen. Allerdings ist die Zahlung freiwillig.
Lichtblicke in Cali sind nach Einschätzung des WWF außerdem ein Durchbruch für den Schutz biodiversitätsreicher Meeresgebiete und die stärkere Beteiligung indigener Bevölkerungen, lokaler Gemeinschaften und ihrem traditionellen Wissen in der Konvention.
Die Rolle Deutschlands bei der Konferenz wird von Experten zwiespältig beurteilt: Einerseits habe die Bundesregierung zusätzliche Finanzmittel zur Umsetzung von Biodiversitätsstrategien im globalen Süden zugesagt, erklärte der Hamburger Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht. “Aber selbst keine abgestimmte und zielführende Maßnahmenstrategie mit Kontrollmechanismen vorgelegt zu haben, ist ein Politik-Versagen und weiteres Armutszeugnis der derzeitigen deutschen Regierung.” Auch in der Bundesrepublik gebe es vielfach Schutzgebiete nur auf dem Papier. Außerdem werde nicht, wie zugesagt, auf 30 Prozent der Fläche die Artenvielfalt geschützt.
Auch die Deutsche Umwelthilfe erklärte, Deutschland wäre in Cali glaubwürdiger aufgetreten, wenn die Bundesregierung eine Nationale Biodiversitätsstrategie vorgelegt hätte, anstatt eines noch nicht vom Kabinett gebilligten Entwurfes der Bundesumweltministerin.