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Weiter Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche

Der Versuch, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen der Union zu streichen, ist vorerst gescheitert. Die große Koalition in Berlin hatte am Mittwochabend ein Einigungspapier zum umstrittenen Strafrechtsparagrafen 219a veröffentlicht. Verhindert der Paragraph einen ausreichenden Zugang zu allen nötigen Informationen für einen Schwangerschaftsabbruch, auch im Blick auf ungewollt schwangere Frauen? Ein Pro und Contra

Der Versuch, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen der Union zu streichen, ist vorerst gescheitert. Die große Koalition in Berlin hatte am Mittwochabend, 12. Dezember, ein Einigungspapier zum umstrittenen Strafrechtsparagrafen 219a veröffentlicht. Demzufolge sollen staatliche Stellen damit beauftragt werden, Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, welche Ärzte und medizinischen Einrichtungen Abtreibungen vornehmen. Beauftragt werden sollen damit die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Nach dem Kompromiss dürften Ärzte in Zukunft wahrscheinlich auf staatliche Stellen verweisen (epd).Das Amtsgericht Gießen hatte im November die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen das Werbeverbot für Abtreibungen nach dem Strafrechtsparagraph 219a. Dieser verbietet die Werbung für Abtreibungen aus wirtschaftlichem Eigeninteresse oder „in grob anstößiger Weise“. ?Verhindert der Paragraph einen ausreichenden Zugang zu allen nötigen Informationen für einen Schwangerschaftsabbruch, auch im Blick auf ungewollt schwangere Frauen?Contra

Von Claudia Wein, Ärztin und Landessynodale der EKBO

Foto: Rolf Zöllner/EKBO

Die Frage „Paragraph 219a abschaffen?“ beantworte ich mit einem klaren „Nein“. Wichtig für meine Überlegungen ist zunächst, was im Gesetzestext steht, was also abgeschafft werden soll. Paragraph 219a Strafgesetzbuch steht unter der Überschrift „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. In Absatz 1 heißt es „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften … seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ In den Absätzen 2 und 3 sind Ausnahmen von diesem Verbot geregelt.Wesentlich für die Strafbarkeit sind demnach die Zielrichtung der Werbung, um eigene Vermögensvorteile zu erlangen oder ein Vorgehen „in grob anstößiger Weise“. Ich sehe hier keinen Veränderungsbedarf. Mehr oder weniger vergessen scheint bei denjenigen, die den Paragraph 219a aufweichen oder gänzlich abschaffen wollen, dass mit Paragraph 219a die Würde des Menschen an sich – und das Leben ungeborener Kinder – bewahrt werden soll.Menschliches Leben soll nicht Objekt von geschäftlichen Beziehungen sein und in Bereicherungsabsicht zerstört werden. Die Freigabe gewerblicher Sterbehilfe wurde vom Deutschen Bundestag 2015 erfreulich klar abgelehnt. Die Forderung nach Abschaffung des Paragraphen 219a stellt nun einen erneuten Versuch dar, unter anderem die Ökonomisierung im Gesundheitswesen dort voranzutreiben, wo es um „letzte Dinge“ geht.Festzuhalten ist, dass Beratung, die nicht von Gewinnstreben geleitet wird, zur Frage eines Schwangerschaftsabbruchs bereits zur Verfügung steht. Denn bei einer Abtreibung vor der zwölften Schwangerschaftswoche gilt die Beratungsregelung in Einrichtungen, die vom Staat anerkannt und finanziert werden. Dazu gehört die Information, wo Abtreibungen durchgeführt werden. Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist nicht erforderlich, um Frauen darüber zu informieren. Schwangschaftsabbrüche, die nach derzwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, sind nur noch unter besonderen Umständen straffrei.

Pro

Von Magdalena Möbius,Studienleiterin für Frauenarbeit am Amt für kirchliche Dienste (AKD)

(Foto:?AKD/Martin Radloff)

Wenn sich in unserem Land eine Frau nach einer Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, hat sie das Recht, dass eine Ärztin oder ein Arzt ihn durchführt. Und das Recht, sich auf der Homepage oder durch ein Informationsblatt des Arztes eigenständig und unabhängig von offiziellen Beratungsstellen darüber zu informieren, welche Leistungen sie erbringen, soll sie nicht haben?Durch die Strafverfolgung von Ärzten, die diese Informationen veröffentlichen, kommen wir tatsächlich wieder dahin. Werbung für medizinische Leistungen zur Erlangung eines Vermögensvorteils ist durch die Berufsordnung der Ärzte ohnehin ausgeschlossen. Ich kann es nur so verstehen, dass das Thema Schwangerschaftsabbruch durch die aktuellen Anzeigen und Verfahren gegen Ärzte wieder öffentlich als kriminelle Handlung angeprangert werden soll.Die zuletzt zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilte Ärztin Kristina Hänel informierte über einen Link auf ihrer Homepage lediglich über die gesetzlichen Voraussetzungen sowie über die Methoden und Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs und die Möglichkeit eines persönlichen Gespräches. Ich begrüße die Initiativen, Paragraph 219a abzuschaffen. Denn er ist die Grundlage für solche nicht nachvollziehbaren Verurteilungen. Mich lässt auch aufmerken, dass hier wieder einmal eine Diskussion, in der Frauen unmittelbar betroffen sind, auf eine Weise erbittert geführt wird, wie es bezüglich vieler anderer Themen aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben nicht der Fall ist. Ich wünsche mir differenzierte Informationen in der Öffentlichkeit zum Thema sexuelle Selbstbestimmung auch auf das werdende Leben bezogen. Schwangerschaftsabbruch ist in bestimmten Situationen straffrei gestellt. Wir sollten nicht weiter in die Schieflage geraten, dass nicht darüber geschrieben und gesprochen werden kann. Es darf nicht wieder eine gesellschaftliche Stimmung entstehen, in der die Frauen, die sich in einer Notlage befinden, damit allein gelassen oder sogar eingeschüchtert und angeprangert werden.

Mit evangelischen Frauenverbänden, die als „Evangelische Frauen in Deutschland“ zusammengeschlossen sind, vertrete ich die Grundauffassung: Ungeborenes Leben kann nicht gegen, sondern nur mit der schwangeren Frau geschützt werden. Evangelische Kirche und Diakonie stehen dafür, dass Frauen in dieser Konfliktsituation beraten werden, umfassend, mit Zeit und ergebnisoffen. Setzen wir uns auch dafür ein, dass sie sich an verschiedenen seriösen Stellen informieren können!

Das “Pro und Contra” erschien ursprünglich in “die Kirche”, Ausgabe Nr. 13 zum 1. April.